Allzu menschlich! – 1. Mose 34 – 36 (15. – 17. September)

Erinnert ihr euch noch an Dina, die Tochter Leas? Normalerweise werden ja Töchter in der Bibel in einem Satz der Form „Und x zeugte weitere Söhne und Töchter.“ erwähnt. Wenn die Bibel eine Tochter nicht nur als Frau von irgendwem sondern als eigenständige Person erwähnt ist das ein Privileg. Naja, die Bibel wurde halt von Männern geschrieben.

Dina spielt aber eine traurige Rolle in dieser Geschichte und hat es daher namentlich auf den Abspann des Filmes geschafft. Wir lesen gleich in Vers 1:

„Dina, die Tochter, die Lea Jakob geboren hatte, ging aus, um sich unter den Töchtern des Landes umzusehen.“ (1.Mo 34,1)

Anders ausgedrückt: Sie ist ohne zu fragen allein losgezogen – „Girls just wanna have fun!“

Und das ging ins Auge. Der Hiwiter Sichem, Sohn des Landesfürsten Hamor, vergewaltigt die Tochter Jakobs. Doch sie gefällt ihm auch sehr und er bittet seinen Vater ihm die schöne Dina – ganz nach Sitte und Tradition des Orients – zur Frau zu nehmen, d.h., zum Brautvater zu gehen und den Preis für dessen Einverständnis auszuhandeln.

Papa kann dem Prinzensöhnchen natürlich nichts abschlagen, marschiert bei Jakob und dessen Söhnen auf und bietet von Grundbesitz über sofortige Einbürgerung bis hin zu jedem geforderten Brautpreis alles für die Verschwägerung der beiden Familien.

Doch die Söhne Jakobs sind scheinbar gar nicht willens mit Unbeschnittenen zu verhandeln. Es gehe hier nicht um Geld und Grundbesitz sondern Zugehörigkeit zu diesem Volksstamm, dessen äußeres Zeichen die Beschneidung sei. Alle Söhne des Hauses Hamor – also die Männer der ganzen Stadt – müssten sich beschneiden lassen. Überraschenderweise stimmen Sichem und Hamor sofort zu; sämtliche Männer der Stadt werden beschnitten.

In einer Zeit vor Entdeckung des Penicillins und ohne genaue Kenntnis der Zeremonie bedeutet das, dass der gesamte wehrhafte Teil der Stadt kurze Zeit später im Wundfieber liegt. Das nutzen Simeon und Levi, um alle nun wehrlosen Männer umzubringen und Schwesterchen wieder nach Hause zu schleifen. Die übrigen neun Brüder plündern die Stadt.

Jakob ist sichtlich tief erschüttert, als er von der Bluttat hört, vor allem aber fürchtet er um sein Leben. Doch sein Gott steht ihm bei. Er erscheint seinem Schützling und gebietet ihm, mit all seinen Leuten und seinem Besitz zurück zum Ursprung, also nach Bethel zu ziehen. Er soll dort, wo er damals nach dem Traum nur einen Gedenkstein aufrichtete, nun einen richtigen Altar bauen. Jakob gehorcht und Gott wirkt

„Da überkam ein Gottesschrecken die Städte ringsum und sie verfolgten die Söhne Jakobs nicht.“ (1.Mo 35,5)

Ein weiteres Mal erscheint Gott auch Jakob und spricht Verheißung und Segen über ihn aus. Noch einmal bekräftigt er, dass Jakob von nun an Israel heißen soll, Vater des einen Volkes, aber auch Vater vieler Völker. Er wiederholt damit bei Jakob/Israel die Verheißung, die er einst Abram gab und genau, wie die Verheißung damals mit einer Namensänderung – aus Abram wurde Abraham – einherging, erhält auch Jakob einen neuen Namen, einen Namen, der seiner Verheißung entspricht.

Der Rest von Kapitel 35 berichtet von der Geburt Benjamins, des zwölften Sohnes Jakobs, dem Tod Rahels, die bei der Geburt Benjamins stirbt und dem Tod ihrer Amme, die schon vorher gestorben war.

Kapitel 36 erzählt dann durch Aufzählung des Stammbaumes, wie aus der Sippe von Esau, Beiname Edom, der Volksstamm der Edomiter wurde. Da das Volk Israel während seiner vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste auch durch das Land der Edomiter zog, war das Kapitel 36 sicherlich sehr interessant für die Genealogen jener Zeit. Uns zeigt es nur einmal mehr: Gott hat zu jedem Zeitpunkt alle Völker und alle Menschen im Blick.

Tod und Vernichtung bringen die späteren Stammväter der zwölf Stämme Israels – zu diesem Zeitpunkt sind erst elf davon geboren – in ihrer hemmungslosen Blutrache, dazu missbrauchen sie das Bundeszeichen ihres Gottes als List. Und Gott lässt ihnen das durchgehen? Ja, man könnte hier natürlich einwerfen: „Der Sichem hat aber angefangen!“ (mit dem obligatorisch auf die Person gerichteten Zeigefinger) aber die Reaktion darauf ist ohne Maß und Ziel. Man kann das hin und her wälzen, wie man will, es wird unter keinem Gesichtspunkt auch nur ansatzweise gerecht und ist in keiner Weise zu rechtfertigen.

Nochmal: Und Gott deckt diese Bluttat? Kain hat er damals davongejagt und aus diesen macht er die Stammväter seines geliebten Volkes! Ist das wirklich derselbe Gott?

Wir müssen eingestehen: Ja, das ist er.

Wieder müssen wir ganz hart unterscheiden!

Auf der einen Seite sind die Entscheidungen und Handlungen der Menschen und auf der anderen Seite sind die Entscheidungen und Handlungen Gottes. Die Taten dieser elf sind arglistig, brutal und unentschuldbar. Aber diese elf werden lange tot sein, ehe sie zu Stammvätern werden. Gott wird sie schon lange gerichtet haben, ehe aus „ihren Samen“ das Volk Gottes ersteht. Wieder dürfen wir nicht vergessen: Wir überblicken so ca. 80 Jahre, hier im Alten Testament wird man auch mal 180 Jahre alt, Gott, selbst ein Wesen der Ewigkeit, überblickt die ganze Zeit, wie sie von ihm geschaffen wurde. Das Unrecht, das die Elf begangen haben begründete am Ende das Urteil über sie. Erst am Ende eines sehr langen, viele Generationen umfassenden Weges, wird aus ihren Nachkommen das Volk Israel werden. Hat Gott also die Bluttat wirklich gedeckt oder hat er nur seinen Plan weiterverfolgt, weil er wusste, dass die Täter seiner Gerechtigkeit nicht entkommen werden? Ich bin geneigt, genau dies glauben zu wollen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Keinesfalls kann man aus dieser Erzählung ableiten, das Gott hier die Blutrache legitimiert hätte!

Und was ist mit den Opfern dieser Bluttat? Sieht Gott die Opfer nicht? Es ist für uns, gefangen in diesen vergänglichen Körpern und gefangen in der Zeit, völlig unverständlich, aber bei Gott gibt es keine Opfer! Er sieht das Leben des Einzelnen aus dessen Vollendung heraus. Er weiß, wie wir – in vollkommener Erkenntnis über die Wahrheit – auf unser Leben und unseren Tod zurückblicken werden, sofern wir überhaupt aus der Ewigkeit darauf zurückblicken werden. Und während wir nur glauben können, weiß er mit Sicherheit, dass wir bei ihm Trost und Frieden finden werden. Alle Seelen im Reich Gottes haben – wie Paulus es ausdrückt – ihren Lauf erfolgreich beendet; sie sind Sieger, egal, wie sie zu Tode kamen. Es gibt daher keine Opfer im Reich Gottes. Kann uns das im Hier und Heute Trost sein? Vermutlich nicht, aber es ist eine Verheißung, es ist eine berechtigte Hoffnung.

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