„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk 1,1)
Der Evangelist Markus fängt einfach an, beantwortet im ersten Satz aber auch gleich drei Fragen: Es ist hier nicht irgendeine Biographie von einem Menschen, sondern die Botschaft über das Heil, das zu den Menschen kam. Das Heil kam durch Jesus, den Gesalbten (König, Retter, Messias, Christus) der auch Sohn Gottes ist.
Jesus lässt sich von Johannes taufen und geht dann für 40 Tage in die Wüste. Als er zurückkommt, beruft er die ersten Jünger, Simon und dessen Bruder Andreas, sowie Jakobus und dessen Bruder Johannes.
Natürlich hätte es Jesus, der ja ohne Sünde geboren wurde, nicht nötig gehabt diese Taufe der Buße von Johannes zu empfangen. Hier findet die Staffelübergabe statt. Johannes erkennt den Messias, er hört die Stimme vom Himmel, die zu Jesus sagt: „Du bist mein geliebter Sohn.“ Jesus wusste das natürlich, die Show war fürs Publikum – das dies wahrscheinlich aber kaum beachtet und erst recht nicht verstanden hatte – und ganz besonders für Johannes den Täufer. Bis hierhin war Johannes einem inneren Ruf gefolgt, hatte das Leben eines Einsiedlers in der Wüste geführt und am Fluss seine sicherlich manchmal recht derben Bußpredigten gehalten, um die Zuhörer aufzuschrecken und dazu zu bringen, über das eigene Leben nachzudenken und diesem vielleicht tatsächlich eine neue Richtung zu geben. Nun steht er, wie vom Blitz getroffen, seinem Gott und Meister gegenüber. Mehr Gewissheit über seinen Glauben hatte er vorher noch nie und wird er danach nie mehr haben. Sein Leben ist jetzt erfüllt. Gott bedankt sich bei seinem treuen Knecht mit einem ganz besonderen, persönlichen Besuch.
Jesus kommt heim, d.h., er lehrt in der Synagoge von Kapernaum, die hier für alle Gebetshäuser Israels steht, denn jede wäre sein Zuhause. Die Worte, die er spricht, sind stark, nicht zu vergleichen mit dem gewohnten Geplapper der üblichen Prediger. Sie sind so stark, dass sich ein Dämon direkt bedroht fühlt und er Jesus verbal angreift. Der fackelt nicht lang und vertreibt den Dämon aus dem Körper dessen, der ihn all die Jahre mit sich rumgetragen hat.
„Aufbruch ins neue Zeitalter“ – unter diesem Motto könnte man Kapitel 2 des Markusevangeliums zusammenfassen.
Jesus ist da. Der Messias, das Licht, Gott selbst ist in der Welt, in seinem Eigentum. Er ist hier um zu korrigieren, wozu Menschen nicht in der Lage sind. Aber ganz hilflos sind sie dann doch nicht, wie die Gruppe Menschen zeigt, die ihren gelähmten Freund zum Herrn tragen und sogar das Dach abdecken, um ihn in dessen Nähe zu bringen. Sie sind das Bild, wie Kirche nach außen wirken soll. Wir, die Nachfolger, die Jünger Christi, sollen mit offenen Augen in dieser Welt sein. Wir sollen präsent sein, um so Menschen zu helfen zu Gott zu kommen, die dies aus eigener Kraft nicht schaffen. Die Lähmung des Mannes zeigt hier nichts anderes als dass Menschen ohne Gott nicht aus eigener Kraft zu ihrem Herrn kommen können. Ja, wir lesen später: Niemand kommt zu mir, es sei denn der Vater zieht ihn. Das ist richtig, aber die Arme, die ihn ziehen sind wir, nachdem der Geist des Vaters ihn hat erkennen lassen, dass er sich – was den Glauben angeht – nicht aus eigener Kraft bewegen kann. Das heißt natürlich in diesem konkreten Fall auch, dass die Freunde des Gelähmten diesen nicht gegen seinen Willen dorthin gebracht haben, dass nicht sie es waren, die ihn so lange unter Druck setzten, bis er endlich rief: „Ja, ich will gerettet werden!“
Jesus heilt am Sabbat einen Mann mit einer verdorrten Hand.
Im Grunde erleben wir hier eine Komprimierung des zweiten Kapitels mit einer neuen Komponente. Jesus heilt (ist also tätig) am Sabbat (verletzt also das Sabbat-Gebot nach dem Verständnis der Kirchenführung) in der Synagoge (entweiht also das Gotteshaus nach dem Verständnis der Kirchenführung).
Nach dem offiziellen Verständnis des Gesetzes outet sich Jesus damit öffentlich als Ketzer bezüglich des aktuellen Volksglaubens.
Drei Ereignisse werden in diesen Versen beschrieben: die Wahl der Zwölf, die Verteidungsrede Jesu auf den Vorwurf, er würde Dämonen mit der Macht des Teufels austreiben und die Erklärung, wer seine Familie ist.
Punkt 2 ist im wahrsten Sinne des Wortes wesentlich! Was ist das Wesen der Verkündigung und der Wunder Jesu? Ist ihr Ursprung der Teufel, der Herrscher über die gefallene Welt, so wäre das Verhalten des Teufels ziemlich krank. Welcher Herrscher schlägt sich denn selbst? Welcher Heerführer schießt auf die eigenen Soldaten? Sicher hat es in der Geschichte schon beides gegeben, aber genauso sicher ist auch, dass dieses Verhalten den Untergang des jeweiligen Herrschers oder der jeweiligen Armee letzten Endes beschleunigt hat. Es ist einfach eine falsche, kranke Form der Motivation. Wenn das Wesen der Verkündigung und der Wundertaten Jesu dagegen göttlich ist, dann findet hier ein echter Kampf statt. Wie Jesus es ausdrückt: Der Starke wird (durch den Stärkeren) gebunden und vertrieben. Das ist auch logisch, denn der Herr kam in sein Eigentum, der Teufel ist hier nur Lehnsherr.
Und dann gibt es noch diese Aussage:
„Wahrlich, ich sage euch: Alle Sünden sollen den Menschenkindern vergeben werden, auch die Lästerungen, womit sie lästern; wer aber gegen den Heiligen Geist lästert, der hat in Ewigkeit keine Vergebung, sondern er ist einem ewigen Gericht verfallen.“ (Mk 3, 28+29)
Was meint Jesus damit? Es uns ja schon klar, dass es die Sünde ist, die uns von Gott trennt. Die Sünde – also getrennt sein von Gott – ist das Wesen des Menschen. Jesus kommt, um unsere Sünden zu tragen, uns mit dem Vater zu versöhnen. Gott selbst stellt diese Verbindung zwischen sich und seinen Kindern wieder her; Zeichen dieser Verbindung ist der Geist Gottes, der in jedem Menschen wohnt. Verbindung heißt auf dieser Ebene: Der Vater und wir sind eines Geistes, dieser Geist ist die Verbindung, aber gleichzeitig auch unsere Autorisation und unser Antrieb für alles Handeln im Namen Gottes. Wer dies lästert – leugnet – der weist die Verbindung zurück. Ihm kann nicht vergeben werden, weil er keine Vergebung will.
„Innenansichten – Außenansichten“, so könnte man Kapitel 4 überschreiben.
Jesus beginnt mit seiner Lehre in „vollen Lehrsälen“. Die Ufer sind dicht bevölkert mit Groupies und Fans des neuen Predigers. Neue Besen kehren offensichtlich gut. Jesus, der natürlich weiß, dass der Hype um ihn Wellen schlägt und viele der Anwesenden nur an seinen Lippen hängen, weil sie hoffen ein Wunder zu sehen, stellt sich darauf ein und lehrt in Gleichnissen. Gleich das erste handelt von ihm und der Fangemeinde. Das dürften die meisten aber gar nicht bemerkt haben, denn er erzählt „nur“ eine alltägliche Geschichte. Da ist ein Landwirt, der Saatgut aussät und es passiert, was tagtäglich passiert: Ein Teil fällt auf unbrauchbaren Grund und verdirbt, ein anderer fällt auf fruchtbaren Ackerboden und bringt reichlich Frucht. Schließlich ist die Zeit der Ernte da.
Wir erleben, wie das Licht immer weitere Bereiche unserer irdischen Existenz erreicht und erleuchtet. In Kapitel 5 sind dies Unreinheit und Tod – beides Brandzeichen der Sünde am Menschen. Sowohl der Mann, der bei den Gräbern dahinvegetiert als auch die blutflüssige Frau sind Ausgestoßene in ihrer Gesellschaft. Das Gesetz will es in diesem Fall sogar so. Unreinheit ist im Alten Bund das Zeichen für die Sünde, das Zeichen dafür von Gott getrennt zu sein, genau wie auch der Tod. In der Erziehung zum Glauben musste das Volk diese Prüfung bestehen, indem sie diese Personen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschloss und jegliche Berührung mit diesen unterband um nicht selbst unrein zu werden. Es ging darum zu erkennen, dass es sich bei der sündhaften Welt und der Heiligkeit Gottes um unvereinbare Gegensätze handelt. Es ging darum zu lernen, dass es Heilung und Heil nur von Gott geben kann. „Best of both worlds“ ist keine Option!
Jesus kommt in seine Heimatstadt und fängt an in der Synagoge zu predigen. Die Bürger der Stadt wissen nicht, was sie davon halten sollen. Das ist doch der Jesus, der Zimmermann. Man kennt seine Familie, ganz gewöhnliche Leute! Was soll an dem so besonders sein?