„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ (Joh 10, 27-28)
Der Prophet Micha spricht vom Untergang Israels, von der Endzeit und dem Gericht über Israel und der Welt und er kündigt die Rettung durch den Messias an.
Das Maß der Sünde ist voll für Nord- und Südreich, verkündet der Prophet. Darum wird Gott ihnen das Land, das er ihnen gab, wegnehmen – genauer: von den Assyrern wegnehmen lassen. Er wird sein Volk fortführen lassen und in der Welt zerstreuen. Der Prophet verkündet ganz deutlich, was genau die Sünde ist, die zu diesem Unglück geführt hat: Götzendienst im Volk, Machtmissbrauch bei den weltlichen und spirituellen Führern des Volkes. Gottesdienst ist eine formelle Angelegenheit geworden, der in festen unreflektierten Ritualen abgeleistet wird. Die Beziehung zwischen Volk und Gott ist zerbrochen und damit die Grundlage, auf Basis derer sie einst das Land von ihm erhielten.
Doch Gott sieht über den Moment hinaus!
Er kündigt einen neuen Herrscher über Israel und die Welt an, der einst in Bethlehem geboren werden wird. Micha ist damit der einzige Prophet im Alten Testament, der die Geburtsstadt Jesu beim Namen nennt.
Dieser Herrscher wird den in alle Welt und alle Völker zerstreuten gläubigen Überrest heimführen und sie mit allem, was sie davor entbehrten, im Überfluss versorgen.
Mit Sorge blickt der Prophet am Ende auf das nun bevorstehende Gericht, warnt aber gleichzeitig die Feinde Israels, dass dieses Gericht am Ende zur endgültigen Wiederherstellung Israels und zur Unterwerfung der Ungläubigen durch Macht und Willen Gottes führen wird.
Da das alttestamentliche Israel ein Bild für das seit dem ersten Pfingsten von Gott aus allen Nationen, einschließlich der Nation Israel, gesammelte Volk darstellt, spricht Micha direkt in die seit 2000 Jahren immer stärker hervortretende Situation, die wir um uns herum beobachten können.
Das (neutestamentliche) Volk Gottes ist zerstreut in alle Welt seit seinen Anfangstagen. Es gab mit der Christianisierung des Römischen Reiches zwar ein Erwachen der Christenheit und der Glaube breitete sich weit über alle Welt aus. Doch die Missionierung geschah in der Phase der schnellsten Expansion mit Gewalt, an die Stelle geschwisterlicher Liebe trat rasch eine machthungrige Kirchenorganisation, die sich in Konkurrenz zu jeglicher weltlichen Macht sah. An die Stelle der gütigen, vergebenden Liebe Gottes, bewiesen durch Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi, trat Drohung (mit ewiger Hölle), Erpressung und körperliche Gewalt. Die selbsternannten Priester des Herrn sahen sich gerne in der Rolle der von Gott eingesetzten Richter über dessen Volk. Und manche von ihnen sehen sich heute immer noch in dieser Rolle.
Sie haben nichts aus den Worten der Propheten gelernt! Sie folgten nicht dem Geist der Bergpredigt, die sie gerne von ihren hohen Kanzeln herab verkündigten. Sie folgten stattdessen selbstgeschaffenen, weltlichen Götzen: Gier, Macht, ja, sogar Diebstahl und Raub. Wen wundert es da, dass diese Götzen ihren Einfluss auch auf das „niedere Volk“ verstärken konnten.
Nun verkündet Micha dem Volk Israel, dass Gott ihnen das Land, das er ihnen einst gab, wieder wegnehmen wird – nur auf Zeit, bis der von ihm eingesetzte Messias die Herrschaft übernimmt.
Das (weltliche) gelobte Land sehe ich als Bild für die (weltliche) Kirchenorganisation, das, was wir heute fälschlicherweise als „Kirche“ bezeichnen. Diese Kirche war für viele Jahrhunderte tatsächlich ein geographisch eindeutig identifizierbares Gebiet, das sich freilich über viele Nationen hinweg erstreckte. Machtgedanken innerhalb der Kirche führten schließlich zur Aufspaltung (genau wie seinerzeit beim Nord- und Südreich) und heute kann es jeder sehen: Gott nimmt dieser Kirche das Land weg, das er ihr einst gab, sein Volk wird sich zukünftig in kleinen und Kleinstgruppen zerstreut organisieren, denn ihre Fürsten sind nicht mehr fähig umzukehren.
Ist das das Ende der Kirche?
Nein, denn Gott ist mit uns. Wir werden vieles (nicht alles!) von dem verlieren, was wir über Generationen liebgewonnen hatten. Einige durchaus feierlich zelebrierte Rituale, die eine Beziehung zu diesem Gott vorgaukelten, weil sie irgendwie ewig erschienen und doch nur von uns geschaffen waren. Sie werden einfach nicht mehr da sein, denn sie sind die Symbole des verlorenen Landes, einer erstarrten, sterbenden Religion.
Erschreckt nicht bei diesen Worten! Jede Religion – sei sie von Gott gestiftet oder von Menschen ausgedacht – ist weltlich, und wie alles Weltliche hat sie einen Anfang und ein Ende, ist von Beginn an dem Tod unterworfen. Allein der Glaube gibt uns die Kraft, das Weltliche zu überwinden und uns von den Ketten des Todes zu befreien.
An die Stelle der verschwundenen Rituale werden neue Zeichen unseres gemeinsamen Glaubens treten, vom Geist eingegebene, persönliche und lebendige Symbole des lebensverheißenden Lichts der Weihnacht. Jesus Christus ist dieses Licht, das auf uns strahlt und das von uns ausströmt, wenn wir Teil dieses Lichts sind.
Geboren, gestorben, zu ewigem Leben auferstanden – dir zum Zeichen und als persönliche Zusage.
Gott schaut auf dich!
Im Advent haben wir Kerzen angezündet als Zeichen gegen die Finsternis. Die Finsternis steht für den Tod, das Licht für das Leben. Mit jeder Kerze, die wir angezündet haben, strahlte mehr Leben in den Tod hinein. Das ist die Geburt Jesu; das ist Weihnachten, dass das Leben über den Tod triumphiert. Die Welt bringt Leben hervor, das unweigerlich zum Tod voranschreitet. Der Advent zeigt den anderen Weg. Er zeigt uns, wie das Leben aus dem Tod hervorbricht. Das ist der Wille Gottes seit Anbeginn der Zeit.
In dieser Aussage unterscheidet sich Weihnachten nicht von Ostern.
„Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.“ (Joh 5, 24)