Apostelgeschichte 9, 1-31 (27. + 28. Januar)

In diesen Tagen läuft Saulus zur Höchstform auf. Vermutlich war ihm zu Ohren gekommen, dass auch außerhalb Jerusalems Gemeinden der neuen Sekte entstanden, darum bittet er den Hohen Rat um den Auftrag, diese Häretiker dingfest und zurück nach Jerusalem schaffen zu dürfen. Der Hohe Rat gibt ihm ein Sendschreiben mit. Auf dem Weg nach Damaskus erscheint ihm dann Jesus in einem grellen Licht und fragt ihn: „Warum verfolgst du mich?“

Man erkennt an dieser Fragestellung, Jesus identifiziert sich mit seiner Kirche. Sie – wir – sind seine Hände, Füße und Stimme. Nicht die Apostel formten den Begriff von der Kirche als „Leib Christi“ mit Christus als Kopf, Jesus selbst war das – hier in dieser Erscheinung.

Jesus macht Saulus klar, dass es ihm nicht möglich sein wird, das von ihm angefangene Werk zu zerstören. Und was Jesus dann tut ist ungeheuerlich! Er nimmt den Verfolger in seine junge Kirche auf und gibt ihm den Auftrag, das Evangelium allen Heiden zu verkünden; die Jünger blieben ja zunächst noch in Jerusalem aber wendeten sich auch später nur an Menschen, die durch Geburt oder Bekenntnis zum Judentum gekommen waren. Die zwölf Apostel werden damit die von Christus eingesetzten Fürsten der himmlischen zwölf Stämme Israels, Paulus wird zum Vater der Weltkirche.

Christus lässt Paulus daher auch an diesem Punkt nicht allein. Er solle in Damaskus auf jemanden warten, der ihm weiterhelfen werden. Saulus muss sich führen lassen, denn das helle, himmlische Licht ließ ihn erblinden. In Damaskus wartet er daraufhin fastend und betend bis Ananias zu ihm kommt, ihm die Hände auflegt und er dadurch wieder sehen kann.

Wir sollten diese Genesung nicht als eines der zahlreichen Wunder abtun, die in der Zeit der Apostel in den ersten Christengemeinden halt geschahen. In diesem Wunder erkennen wir, dass Menschen ohne Christus blind für das Himmlische sind, sie können es nicht aus eigener Kraft und Anstrengung erkennen. Schon zum Glauben an Christus zu kommen, Christus als den Herrn zu erkennen, ist ein Gnadengeschenk, das erste Geschenk das Christus den seinen gibt. Und er überbringt dieses Geschenk durch andere Christen, in diesem Fall durch Handauflegen, aber es kann auch alles andere sein, was ein Christ tut oder sagt. Genau darum ist es so wichtig, dass jeder Christ auf seine Worte und seine Handlungen in der Welt achtet. Wir sind mehr als nur Botschafter, Christus wirkt durch uns in die Welt hinein – wenn wir ihn lassen. Was wäre geschehen, wenn Ananias abgelehnt hätte? Er hatte viel von Saulus gehört und daher Grund genug, diesen Auftrag abzulehnen oder ihm nur oberflächlich – quasi als willenloser Befehlsempfänger – nachzugehen. Die christliche Gemeinschaft hätte ohne Saulus, später Paulus, eine ganz andere Entwicklung genommen, wäre vielleicht eine kleine, jüdische Sekte geblieben. Durch unseren Gehorsam arbeiten wir am Werk unseres Herrn, durch Ungehorsam, Eigenmächtigkeit, Egoismus und all die anderen irdischen Wege und Werte stören wir die Vollendung der Kirche. Das Geschenk, die Gabe des Glaubens, zerrt uns aus der Neutralität. Es zwingt uns, uns entweder für oder gegen Christus zu entscheiden. Dieses Geschenk ändert dein Leben in jedem Fall. Nach der Erkenntnis gibt es kein Zurück, keinen Punkt vor der Erkenntnis, an den du zurück gehen könntest.

„Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie keinen Vorwand für ihre Sünde.“ (Joh 15,22)

Saulus hat sich entschieden den Herrn anzunehmen und predigt überall in Damaskus das Evangelium. Und nun erfährt er, wie es auf der anderen Seite ist. Die Juden wollen ihn lynchen, er muss fliehen. Zurück in Jerusalem trauen die Apostel dem Frieden nicht und wollen ihn nicht in ihrer Nähe haben. Nur Barnabas glaubt ihm und überzeugt dann die anderen. In Jerusalem macht er sich die Hellenisten, griechisch sprechende Judenchristen, zu Feinden, so dass die Apostel beschließen ihn zunächst mal nach Hause, also nach Tarsus zu schicken. Wer die späteren Briefe des Paulus liest, kann sich vorstellen, dass er den christlichen Glauben viel radikaler (radikal im Sinne von abgrenzend vom Bund des Gesetzes) vertrat als es zu dieser Zeit möglich war und dadurch für Streit und Unfrieden in den Gemeinden gesorgt hat. Selbst Petrus brauchte zu diesem Zeitpunkt noch ein oder zwei Nachhilfestunden von seinem Herrn, wie die späteren Kapitel zeigen werden.

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