Gleich zu Beginn dieses Abschnittes erfahren wir vom Verrat des Herrn durch Judas Ischariot und wir lesen, dass die obersten Priester über diesen Verrat erfreut waren. Der Deal wird in drei kurzen Sätzen abgehandelt. Wenn die Sache nicht so folgenreich gewesen wäre, könnte man das kleine Abschnittchen fast überlesen, doch was da steht soll uns eine Warnung sein: Sowohl Judas als auch der Hohe Rat und die Priesterschaft waren davon überzeugt, hier richtig zu handeln. Alle Beteiligten glaubten den Willen Gottes zu erfüllen, die hatten sich nicht verabredet, mal gemeinsam böse zu sein! Gott warnt hier uns, die Menschen, die an ihn glauben. Er warnt uns, dass unser Glaube durch eigene und äußere Umstände fehlgeleitet werden kann und man selbst dann oft gar nicht erkennt, dass man fehlgeleitet wurde. Die Konsequenzen, das haben zweitausend Jahre christlicher Geschichte eindrücklich demonstriert, sind immer und ausnahmslos katastrophal.
Jesus arbeitet die letzten Kapitel der Prophezeiungen über den Messias ab. Ein Punkt davon lautet, dass sich seine Anhänger von ihm lösen und fliehen werden, sobald der letzte Kampf beginnt. Natürlich sind wieder alle entrüstet und Petrus am heftigsten. Er, Petrus, wird für die Aufgabe, die auf ihn zu kommt eine besondere Läuterung brauchen. Deshalb gibt Jesus ihm eine besonders schmerzhafte Lehre mit auf den Weg: Er wird seinen Herrn nicht nur durch Flucht verleugnen, sondern gleich dreimal abstreiten ihn überhaupt zu kennen. Das steht hier an dem Punkt zwar nicht explizit, aber die einzige Möglichkeit einen Menschen dreimal zu verleugnen besteht halt nun einmal nur mit dem Mund, nicht mit den Füßen. Bei Petrus wird es also nicht ums Davonlaufen gehen, sondern um eine (oder sogar drei) knallharte Lügen.
„Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zerstreuen.“ (Sach 13,7)
Der Verrat geschieht. Judas, der wohl kurz nach der Beschuldigung das Passahmahl verlassen hatte, taucht mit einer Horde bewaffneter Männer im Garten auf und grüßt seinen Herrn mit einem „Rabbi, Rabbi“ und einem Kuss auf die Wange. So wissen die Männer wen sie verhaften müssen. Warum dieses Schmierentheater? Wir müssen uns die Situation vorstellen: Das Passahmahl war nun schon eine Weile beendet, d.h., es war spät abends und dunkel. Nach jüdischer Tradition dürften alle Männer ähnlich gekleidet gewesen sein und einen – je nach persönlichen Möglichkeiten – dichten Vollbart im Gesicht gehabt haben. Da musste man jemanden schon gut kennen um ihn sicher identifizieren zu können.
„Wieder fragte ihn der Hohepriester und sagte zu ihm: Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten? Jesus aber sprach: Ich bin’s. Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels!“ (Mk 14, 61+62)
Es ist gar nicht so einfach, ein gerechtes Urteil zu fällen, wenn das Urteil schon vor der Verhandlung feststeht. Insbesondere, wenn man in Schauprozessen nicht geübt ist und dies ist der erste und wahrscheinlich einzige Schauprozess unter der Regie des Hohen Rates. Es geht nicht um Schuld oder Unschuld des Nazareners, es geht darum eine Rechtfertigung für das bereits gefällte Todesurteil zu finden. Natürlich finden sich schnell Eiferer, die sich für eine Aussage gegen den „Ketzer“ ein Fleißbildchen im Himmel versprechen, doch mangels Absprachen passen die Aussagen nicht zusammen und Jesus schweigt zu den Vorwürfen – auch eine Bestätigung der über ihn gemachten Prophezeiungen (Jes 53,7).
Der Schauprozess geht weiter. Der Hohe Rat, der sonst keine Skrupel hatte zum Beispiel Ehebrecherinnen zu steinigen – die Evangelien berichten davon – schleppt Jesus vor den römischen Stadthalter Pilatus, damit der ihn auch zum Tode verurteilt. Wir sehen hier: Ganz offensichtlich hatten die Juden von der römischen Besatzungsmacht weitestgehend Freiheit, was ihre religiösen Riten bis hin zu religiösen Urteilssprüchen angeht. Es ist historisch belegt: Die Römer tolerierten fremde Religionen, die attraktivsten adoptierten sie sogar. Dieser einzelne Gott der Juden erschien ihnen aber vermutlich einfach zu gering, deshalb ignorierten sie ihn, solange die Ausübung der zugehörigen Religion nicht die öffentliche Ordnung störte. Der Hohe Rat wollte aber wohl kein religiöses Urteil, bei dem man sich dann irgendwann vor Gott oder gar vor den Anhängern des Ketzers rechtfertigen musste.
Das Werk der Verkündigung durch Jesus auf Erden ist nun zu Ende. Jetzt erfüllt er nur noch die über ihn gemachten Prophezeiungen, bzw., nicht er erfüllt sie – denn er ist nun endgültig nicht mehr nicht mehr Herr des Geschehens – sie erfüllen sich eine nach der anderen.
Er wird verspottet, bis zur völligen Entstellung misshandelt, mit zwei Verbrechern gekreuzigt, es wird um seine Kleidung gewürfelt und er wird wieder verspottet – während er da ans Kreuz genagelt erhöht über der Erde hängt und langsam stirbt. Das Licht der Welt erlischt.
Dann zerreißt der Vorhang, der bisher das Allerheiligste im Tempel vor den Augen der Gläubigen verborgen hat. Das in Psalmen, Chroniken und Gesängen über Generation besungene Geheimnis, symbolisiert durch diesen abgetrennten Bereich mit Bundeslade und Stab Aarons, ist dort am Kreuz nun offenbart worden. Mit dem Tod Jesu endet der Alte Bund und alle Ämter und Zeremonien, die ihn mit Leben füllten. Das Allerheiligste, ja der ganze steinerne Tempel Jerusalems hat ausgedient. Gott baut einen neuen, den ewigen Tempel.
Und wir lesen, dass Frauen von der Ferne dem Sterben Jesu zusahen. Frauen sind die Zeugen des Todes Jesu, denn die Männer hatten sich davongeschlichen und versteckt.
„Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ (Mk 16, 16)
Und wieder sind die Frauen die ersten. Es ist Sonntag, der erste Tag der Woche, die Sabbat-Ruhe ist vorbei. Die Frauen, die auch bis zum Ende am Kreuz standen, haben Gewürze gekauft, um den Leichnam des Herrn zu salben. Auf dem Weg fragen sie sich, wer ihnen das Grab öffnen wird, denn die damaligen Gräber waren in Felsen gehauene Höhlen, die mit einem Stein, einem vermutlich knapp mannshohen Brocken, verschlossen wurden.