Hiob 1+2 (26. – 28. Mai)

Hiob wird in der Bibel in der Zeit der Patriarchen, also irgendwo zwischen Adam und Jakob/Israel verortet. Insofern erscheint es logisch in Hiob den Prototypen eines Gläubigen in einer Zeit zu sehen, als Gott noch nicht über sein Wort verkündet worden war, eine Zeit also in der die geistliche Erweckung der Menschen ihren Anfang nahm, eine Zeit der Familiengötter und Götzenreligionen. Auch in dieser Zeit wirkte Gott ganz offensichtlich in die Geschicke der Menschen hinein, auch wenn diese seine Weisungen eher diffus wahrnahmen. Erstaunlich vielfältig waren daher auch die Religionen, die sich in jener Zeit entwickelten. Alle hatten aber eines gemeinsam: Man opferte dem Gott oder den Göttern, meist um sie gnädig zu stimmen, sei es, um für erhaltenen Segen zu danken oder um befürchteten oder erlebten Fluch abzuwenden.

Hiob ist seinem Gott treu und hat es in seiner Treue zu beachtlichem Wohlstand und einer glücklichen Familie gebracht, ein Segen, den er Gott durch Gottesdienste und großzügige Opfer dankt. Die Geschichte berichtet, dass selbst Gott von der Treue dieses Knechtes angetan ist und vor den Engeln von dem Mann schwärmt.

Satan geht diese Lobhudelei auf die Nerven! Ja, richtig gelesen: Satan weilt zu diesem Zeitpunkt noch im Himmel unter den anderen Engeln. Dass Satan zur Zeit der Schöpfungsgeschichte bereits auf die Erde hinabgestoßen war – er taucht da ja in Form einer Schlage auf – belegt, dass wir uns die Zeit der Patriarchen besser nicht wie die chronologisch ablaufende Erdenzeit vorstellen sollten. Hier werden grundlegende, im weitesten Sinne ewig gültige Dinge aus der Sicht des Himmels erläutert; es sind die ältesten Gleichnisse der Bibel.

Also, wie gesagt, Satan ist genervt. Es ist leicht, Gott für den Segen im Leben zu danken, wenn man so übermäßig beschenkt wurde, wie dieser Hiob. Satan bringt es auf den Punkt: Der Dank Hiobs lohnt sich direkt und unmittelbar. Hier wird die am Anfang erwähnte Wahrnehmung des Göttlichen durch die Menschen deutlich. Gott wird als Beschützer und Ernährer erkannt, als eine Macht, die sich auf das weltliche Leben beschränkt. Religion ist gleichbedeutend mit den seit alters her verbreiteten Naturreligionen.

Entsprechend die Herausforderung Satans: „Nimm Hiob alles weg, wofür er dir dankt und der Dank wird verstummen!“ Gott lässt sich auf diese Wette ein. Satan darf Hiob alles wegnehmen, nur ihn selbst darf er nicht schädigen.

Gesagt, getan. Bald darauf erreichen Hiob die verheerendsten Nachrichten seines Lebens: Aller Besitz wurde geraubt oder zerstört und alle seine Kinder kamen bei einem Unwetter ums Leben. Hiob ist schwer getroffen. Er leitet die regional übliche Trauerzeremonie ein, um diesen Schmerz auch nach außen deutlich zu zeigen. Doch er hält an seinem Gott fest, ja, er lobt und preist ihn sogar.

Wird an diesem Punkt bereits mit den Konzepten der Naturreligionen aufgeräumt? Nein, natürlich nicht! Gerade in Zeiten der Not hatten auch die ganzen Opferkulte des Altertums sicherlich großen Zulauf. Allerdings unterscheidet sich Hiob hier bereits von den anderen. Hiob bittet Gott an diesem Punkt nicht, das Schicksal zu wenden, er akzeptiert den Ratschluss des Herrn, auch wenn ihm dabei sein Herz zerbricht.

Diese erste Wette hat Gott also gewonnen. Wieder ist er voll des Lobes, doch Satan gibt nicht auf und erhöht den Einsatz – es ist ja nicht seiner. Hiob würde seine Treue zu Gott aufgeben, wenn es um sein eigenes Leben ginge, wenn ihm das Leben selbst zur Hölle würde. Wieder lässt sich Gott auf dieses Spiel ein. Satan darf alles mit Hiob tun, außer ihn umzubringen. In der nächsten Stufe wird der (nun in jeder Hinsicht) arme Mann mit einer schweren, chronischen Krankheit geplagt, die für ihn große körperliche Qual und Entstellung bedeutet.

Die Frau Hiobs ist nun am Ende ihrer Geduld. Sie fordert zwei Dinge von ihrem Mann: Er soll sich von seinem Gott lossagen indem er sich umbringt. Und wir ahnen, es geht ihr hier nicht um die Treue ihres Mannes zu seinem Gott, es geht ihr darum, diesen jammernden, eiternden, vermutlich stinkenden Knochensack an ihrer Seite loszuwerden. Selbst Hand an sich zu legen ist auch in jeder Naturreligion ein Sakrileg.

Das ist genau die Reaktion in den alten Naturreligionen: Wer den Eindruck erweckte, von Gott verflucht zu sein, mit dem wollte man nichts mehr zu tun haben, denn er wurde in mehrerer Hinsicht zur Belastung: zum einen materiell, denn er musste ja durchgefüttert werden, konnte aber selbst nichts mehr beitragen, zum anderen aber auch existenziell, denn ununterbrochen von Leid umgeben zu sein, verändert den Menschen, lässt seine Seele nicht unberührt. Die Menschen glaubten daher zu spüren, wie der Fluch des Verfluchten zunehmend auf sie übergriff, je länger sie ihm ausgesetzt waren. Die im Menschen genetisch verankerte Verhaltensweise soziale Gemeinschaften zu bilden, ist bei längerfristigen oder dauerhaften Unglücken aufs Heftigste herausgefordert.

Die Reaktion der Frau ist also menschlich: Die erste Reaktion mancher Menschen auf Unglück ist oft, sich von diesen Orten und Personen abzuwenden. Je länger ein Unglück andauert umso größer wird auch die Gruppe der sich Abwendenden – auch innerhalb der Familie.

Hiob selbst hält jedoch an seinem Gott fest. Auch das ist menschlich. Hiob hat an diesem Punkt seines Lebens keine Hoffnung mehr; daher bleibt ihm ja nur noch dieser Gott als letzte Hoffnung.

Nun erhält Hiob Besuch von drei Freunden. Während die Frau Hiobs die Personen der eigenen sozialen Gruppe repräsentiert, stellen die Freunde die Außenwelt Hiobs dar. Und auch die Außenwelt reagiert menschlich: Im Anblick des Unglücks ist man betroffen und sprachlos.

Doch auch die Außenwelt wird sich in den folgenden Kapiteln mit diesem Unglück auseinandersetzen müssen.

Kleine – aber beachtliche – Randbemerkung: Die Engel werden hier als „Söhne Gottes“ beschrieben. Söhne Gottes ist eine im Alten Testament gebräuchliche Beschreibung für Engel, also jene Geschöpfe, die in unmittelbarer Nähe zu Gott existieren. Jesus, der sich selbst Sohn des Menschen nannte, bezeichnet in seiner Lehre alle im Geist wiedergeborenen Menschen als Söhne Gottes, daher auch die von ihm vorgeschlagene Anrede Vater oder Papa. Durch sein Heils- und Erlösungswerk wurde uns Menschen also eine Nähe zu Gott ermöglicht und geschenkt, in der wir den Engeln gleich werden. Entsprechend sind unsere Gebete heute keine Anrufungen des großen, allmächtigen (also fernen) Gottes mehr, es sind Gespräche mit dem uns immer zugeneigten Vater.

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