Zum Ende des Kapitels 19 erfuhren wir, dass das verständliche Heimweh Davids, das ihn dazu brachte, erst mal in seinem Haus vorbeizuschauen, ehe er wieder zu seinem Amtssitz in Jerusalem weiterzog, seine Position beim Volk schwächte. Die Neckereien seiner Leute der Art „David hat uns halt lieber als euch“ waren sicher auch nicht hilfreich.
In einer solchen Situation findet sich dann immer irgendein Hinterbänkler, der seine Chance wittert, auch mal im Mittelpunkt zu stehen – hier ist es Scheba, von dem man vorher noch nie was gehört hat (und danach auch nie wieder was hören wird).
Scheba wiegelt das Volk auf, fordert erfolgreich die Stämme auf, in ihre Gebiete zurückzugehen und David den Mist alleine machen zu lassen. Ganz Israel wendet sich nun von David ab.
Als der Ruf Davids – verkündet durch seinen neuen Heerführer Amasa, alle sollten sich in Jerusalem versammeln ohne Erfolg bleibt, weiß er, dass er es mit einem regelrechten, von Scheba angezettelten Aufstand zu tun hat. Er schickt nun Joabs Armee unter der Führung von Abischai (offensichtlich vertraute er Joab, dem Mörder seines Sohnes nicht mehr) los, den Aufstand zu beenden.
Wieder handelt David inkonsequent! Im weiteren Verlauf übernimmt Joab wieder das Heft des Handelns in der Armee, d.h., David hat ihn nicht aus dieser entfernt, obwohl er ihm nicht mehr vertraute. Trotzdem verläuft die Aktion für den König zufriedenstellend.
Den ekligen Abschnitt (Verse 7 – 14) lass ich hier wieder aus. Die Kurzfassung: Joab ermordet Amasa, den David eigentlich zum Heerführer machen wollte auf heimtückische Weise und sichert sich so seinen Posten, nachdem sich vorher Abischai offensichtlich auch nicht halten konnte.
Bei der Belagerung von Abel-Bet-Maacha erhält er Hilfe von einer Magd, die die Bürger der Stadt dazu überredet, Scheba, der hier Unterschlupf gefunden hat, an Joab auszuliefern. So kann Joab kampflos aber mit einer wichtigen Trophäe zu seinem König zurückkehren. Joab hat’s geschafft! David setzt ihn wieder als Heerführer über die ganze Armee ein.
Nun waltet der König erstmal seines Amtes und beruft die Menschen, die sich in dieser Prüfung als seine Vertrauten erwiesen haben (und noch am Leben sind) in seine Regierung.
Was wollen uns dieses blutige und die beiden vorangegangenen, nicht weniger blutigen Kapitel sagen? Wir finden Verrat, Intrigen, Gewalt aber auch Versöhnung und Gnade vor. Wir erfahren, dass sich am Ende der erfahrenste Soldat als Heerführer durchsetzt – eben durch Intrigen und rohe Gewalt. Kurzum: Wir erfahren, wie diese Welt funktioniert. Gott hat hier scheinbar tatenlos zugesehen.
Natürlich würde hier wieder einmal der Satz passen: „Gottes Wege sind unergründlich.“ – und er wäre sicher auch richtig. Auch wäre – mit Blick auf die restlichen Kapitel – richtig, zu sagen, Gott hat hier seinen Plan, David wird König, damit sein Sohn Salomo der weise Friedenskönig des Volkes Israel werden kann, durchgesetzt. Er vermag es auch auf hier wirklich krummen Zeilen gerade zu schreiben. Und sicherlich gäbe es noch einige weitere ebenso vernünftige Begründungen für das Schweigen Gottes zu diesem Verhalten.
Genauso ist es uns aber auch erlaubt, kopfschüttelnd vor dieser Situation zu stehen. In der Erzählung um den Stammvater Jakob/Israel erlaubt uns Gott ausdrücklich, uns an ihm zu reiben, fassungslos auf seine Entscheidungen zu reagieren und – ja! – sogar, ihm zu widersprechen. Wir befinden uns (hoffentlich alle) in einer lebendigen Beziehung zu einem lebendigen Gott und auch das sind Zutaten einer lebendigen Beziehung. Aber getreu der Aufforderung des Apostel Paulus „Lasst die Sonne nicht untergehen über eurem Zorn!“ (Epheser 4,26) sollte auch jeder unserer Dispute mit diesem Gott mit Jakobs Ruf enden: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ (1. Mose 32, 27). Denn letzten Endes haben wir (Gott sei Dank!) keinen Einfluss auf seinen Plan und seine Entscheidungen, wohl aber auf unsere Beziehung mit ihm und die hängt an diesem Segen.