Deuteronomium 30 – 31 (16. – 20. Mai)

„Und der HERR, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden, dass du den HERRN, deinen Gott, liebst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, damit du lebst.“ (Dtn 30,6)

Kapitel 30 verheißt den neuen Bund, den Gott mit seinem Volk eingehen wird, der Bund den Paulus, Petrus und all die Apostel im Namen des Herrn verkünden. In Kapitel 30 wird die Beschneidung des Fleisches zukünftig durch eine Beschneidung des Herzens getauscht, genau die Art Beschneidung, von der Paulus in seinen Briefen spricht.

Gott weiß, dass sein Volk untreu sein wird – wie in den vorherigen Kapiteln verflucht und in Kapitel 31 prophezeit – Gott weiß, dass dieser heute am Ufer des Jordan erneuerte und bekräftigte Bund bald zerbrechen wird und mit ihm sein von ihm erwähltes Volk.

Doch er verspricht ihnen, eine Umkehr zu ihm wird ihren Nachkommen überall auf der Welt möglich sein und dann wird er für sie da sein und sie heimbringen ins gelobte Land.

Und gerade weil hier bereits vom neuen Bund mit den Christen die Rede ist, spricht eben Gott nicht nur zu den Israeliten am Ufer des Jordan, die jenes irdische Stückchen Land in Besitz nehmen und aufgrund des widerspenstigen, undankbaren menschlichen Wesens jedes einzelnen bald darauf wieder verspielen werden. Er spricht auch zu uns, seinem zukünftigen Volk, zu jenem Zeitpunkt noch unwissende Heiden, heute aber in Christus mit allen die ihn als Herrn und Erlöser anerkannt haben zu einem Volk von Aposteln vereint. Wir sind doch nicht anders als jene Israeliten! Kaum dass es uns gut geht, wenden wir uns ab, wenden uns neuen Göttern zu; wir haben am Anfang dieses 5. Buches von Moses davon ausführlich gesprochen.

Mit der Auferstehung seines Sohnes haben wir alle, die wir durch Verkündigung und Gnade Gottes daran glauben können, ein Bürgerrecht im gelobten Land Gottes geschenkt bekommen. So wie es keinen irdischen Tempel aus Stein mehr als Heimstatt Gottes auf Erden gibt, so ist auch das Reich Gottes, das heute gelobte Land, kein Fleckchen Land auf Erden mehr. Die Zeit der Bilder endet mit Jesus; mit ihm beginnt die neue Zeit der Erfüllung.

Was prophezeit Gott hier seinem Volk denn genau? Er sagt: Ich habe euch geführt, habe meine Liebe in euch hineingesät, aber ihr werdet die Saat ersticken. Sie wird nicht dauerhaft in euch gedeihen und euch auf diese Weise vom Segen zum Fluch werden.

Was ist der Bund mit Gott? Was ist sein Segen? Gott hat uns als seine Kinder erwählt, wir empfangen seine Liebe, bedingungslos und waghalsig, wie dieser Gott nun einmal gestrickt ist. Für den Bund mit ihm, muss diese Saat aber in uns aufgehen und gedeihen. Wir müssen selbst zur Quelle seiner Liebe werden, indem diese aus uns heraus zu den anderen Menschen und auf diesem Weg zu ihm zurückströmt. Jeder von uns hat Gaben erhalten, um dies mit den ihm gegebenen Mitteln zu tun. Aus dieser sich selbst erhaltenden und von Gott erhaltenen Verbindung entsteht Leben, denn sie ist die Kraft des Lebens, das von Gott kommt.

In den Schilderungen dieser Kapitel strömt diese Kraft, dieser Segen zum Volk Israel, heute kommt sie durch den Heiligen Geist über alle, die den Herrn als ihren Retter angenommen haben.

Was ist der Fluch Gottes? Der Fluch Gottes war für die Israeliten zu diesem Zeitpunkt noch nicht in voller Härte begreifbar. Er bedeutete für sie (nur) Vertreibung aus diesem Stückchen Land, das ihr Gott ihnen gegeben hatte, und sie haben das in den folgenden Generationen auch genauso erfahren. Der Fluch Gottes bedeutet aber, dass du selbst diesen himmlischen Kraftstrom in dir abwürgst, sein Segen in dir daher nicht wirken kann. Du trennst dich von Gott ab, trennst dich von dem ab was wahres Leben gibt, begnügst dich mit bloßer Existenz. Der Segen bleibt aber da und du kannst sehen, wie er bei anderen wirkt, die ihn annehmen.

Der Segen erstreckt sich damit nicht auf materiellen Segen, auch wenn dieser natürlich nicht ausgeschlossen ist, der Segen bedeutet Frieden in deinem Herzen, kein Getriebener mehr zu sein, daheim zu sein bei Gott. Dein Leben gleicht einem Marsch durch die Wüste, auch dieses Bild hatten wir in Deuteronomium schon öfter. Nicht für alle Menschen liegt die nächste Oase immer innerhalb einer Tagesreise. Segen ist, sowohl das Wasser wie auch die Dürre mit derselben Dankbarkeit annehmen zu können, weil man sich der erhaltenden Gegenwart der Liebe Gottes in jeder Situation gewiss ist. Du bist (bist jetzt schon, nicht wirst vielleicht einmal sein!) ein Bürger im Reich Gottes mit all seiner unvorstellbaren Herrlichkeit und hier nur auf Pilgerschaft oder Fremdlingschaft, wie Jakob es nannte. Das ist dein Segen! Fluch ist, nur von Wasserstelle zu Wasserstelle zu existieren. Fluch ist das einsame Sterben dazwischen.

Was ist in diesem Zusammenhang der Zorn Gottes? Die Bibel spricht an vielen Stellen von einem eifersüchtigen Gott, an anderen von einem eifernden Gott. Eifernd ist nach meinem Verständnis und meiner Beziehung zu ihm die bessere Beschreibung. Dieser Gott weiß nun einmal wie’s geht! Wir stolpern tastend voran; kaum, dass wir meinen, die Sache unter Kontrolle zu haben, holen wir uns die nächste blutige Nase. Gott kennt den Weg, er weiß was wir in jedem Moment brauchen und gibt es uns ehe wir danach fragen können. Blöd nur, wenn wir uns in diesem Moment grade wegdrehen, weil wir meinen es besser zu wissen. Segen oder Fluch – Leben oder Tod? Es gibt nur einen segensreichen Weg ins Leben, alles andere ist Tod.

Jeder von uns kommt irgendwann an den Punkt wo er fragt: „Warum lässt Gott das zu?“ Menschen ohne Glauben nutzen diese Frage auch gerne beim Versuch Gott damit zu widerlegen. Doch diese Frage weist direkt auf diesen eifernden Gott. Wir können unruhigen Gewissens davon ausgehen, dass wir uns die meiste Zeit auf dem Holzweg befinden. Der eifernde Gott lässt uns das mit voller Wucht erkennen, damit wir die Gelegenheit nutzen und umkehren. Wenn wir uns die vielen Probleme und Missstände auf diesem Planeten ansehen ist uns doch allen klar, dass eine Generation für eine qualifizierte Umkehr nicht mehr ausreichen wird.

Auch davon handeln die Kapitel 30 und 31. Denn Gott sagt den Israeliten: Wenn ihr erkannt habt, dass ihr vom Weg abgekommen seid, dann kehrt um. Tut es nicht halbherzig, sondern mit ganzem Herzen, für den Rest werde ich, euer Gott, sorgen. Ich werde euch sicher heimbringen.

Ein Nebenaspekt dieser beiden Kapitel ist die Übergabe des Stabes von Moses an Josua. Das Volk bekommt den Auftrag, Josua zu folgen und das Gesetz von Generation zu Generation zu verkünden. Dies entspricht der Stabesübergabe von Jesus an seine Apostel und seine Kirche. Das Gesetz ist erfüllt, die Zeit der Erfüllung der Verheißung ist da. Auch wir sollen dies von Generation zu Generation verkünden. Geändert hat sich das Verfahren: Der Geist beruft heute alle Gläubigen gemäß den ihnen gegebenen Gaben zur Übernahme von Aufgaben. Die Welt soll von ihrer Erlösung erfahren. Auch im Zeitalter der Massenmedien reichen für die Verkündigung bis ans Ende der Welt zwei oder drei Propheten nicht aus – zu groß und gewaltig ist die durch Christus eingetretene Veränderung, zu dringend deren Verbreitung.

Nach diesem langen 5. Buch Mose ist uns nun aber auch klar, was mit der eingangs erwähnten Beschneidung des Herzens gemeint ist. Es ist die nächste Stufe des Glaubens! Das Volk Gottes hat hier ein Gesetz erhalten, das es bald als eine Art Strafgesetzbuch empfinden und sich deshalb diesem zu entziehen suchen wird. Es sind unter Androhung von Strafe – Fluch und der ewigen Verdammnis – von der Obrigkeit erlassene Regeln. Der natürliche Umgang der Menschen mit solchen aufgezwungenen Regeln ist, Grenzen auszutesten. Wie weit kann ich eine Regel beugen ohne sie zu brechen? Wie kann ich mich also selbst rechtfertigen, wenn ich erwischt werde?

Ernst Tugendhat nennt dies die zweite Stufe der Verantwortlichkeit. Ich befolge Regeln aus Furcht vor den Konsequenzen. Die Furcht Gottes ist auf dieser Stufe, der Beschneidung des Fleisches, also tatsächlich die Angst vor von außen auf mich kommenden Konsequenzen und Strafen. Da es tief im Wesen des Menschen verankert ist, die Grenzen eines solchen aufgezwungenen Rahmens auszutesten, ist er in dieser Stufe nicht in der Lage, das Gesetz seinem Wesen nach zu erfüllen. In der nächsten Stufe der Verantwortlichkeit, macht sich der Mensch nach Tugendhat eigene Regeln, die er dann auch gerne befolgt, weil er einsieht, dass sie ihm in seinem Leben nützen.

Und genau so will Gott – wie sahen es in den Kapiteln 5 – 26 – sein Gesetz verstanden wissen. Die Achtung dieser von ihm gegebenen Weisheit nützt uns für unser Leben, und das ist für Kinder Gottes nicht nur der Zeitabschnitt zwischen Geburt und Tod! Jeder Mensch will leben, nicht nur im biologischen Sinn existieren – sonst würde er nicht nach Gott suchen. Im Herzen beschnitten zu sein, heißt damit, dass der Mensch jedes „Du sollst“ im Gesetz aus eigenem Willen heraus durch ein „Ich will“ ersetzt hat.

Ich will Vater und Mutter ehren, denn alles was ich in dieser Welt sein werde, werde ich durch ihre Fürsorge sein. Sie stehen damit in dieser Welt für Gott, durch dessen Fürsorge ich überhaupt sein kann. Wenn ich das Kleine, das meinem Verständnis entspricht, nicht erkennen kann, werde ich das Große erst recht nicht erkennen. Dieses Ehren setzt sich außerhalb der Familie dann fort in jeder Art von Obrigkeit, die laut Paulus so von Gott gegeben wurde. Da sehen wir dann auch ziemlich schnell, dass mit „ehren“ nicht blinder Gehorsam gemeint ist.

Ich will nicht töten, denn ich begreife mich als Individuum in einer von einem weisen, liebenden Gott zu meinem Wohl geschaffenen Gemeinschaft und ich will diese Gemeinschaft nicht schädigen oder gar zerstören. Darum soll allein deren Gründer darüber entscheiden, welche Mitglieder er hinzufügt oder wegnimmt.

Ich will nicht die Ehe brechen, denn sie ist das elementarste auf dem freien Willen der Menschen beruhende Bündnis und steht für mein Bündnis mit Gott. Wenn ich Bündnisse nicht einmal im Kleinen – in der Ehe – halten kann, wie soll das dann mit Gott klappen?

Ich will nicht stehlen, denn Gott weiß was ich brauche und er weiß was andere brauchen und er sorgt dafür. Wir können auch hier sehr schnell einsehen: Auf Kosten anderer Menschen leben, Menschen, Völker oder den ganzen Planeten zum eigenen Vorteil auszubeuten ist im Sinne dieses Gebotes Diebstahl.

Daraus folgt bereits: Ich will nicht begehren, was jemand anderem gehört. Doch zu diesem Punkt gehört auch noch: Dieses Begehren, dieser ständige Vergleich mit dem Besitzstand anderer, raubt mir meinen Frieden im Herzen, diesen Frieden mit Gott. Durch das Begehren empfinde ich mich selbst als Mängelwesen und wer will schon gerne ein Mängelwesen sein? Mehr noch: Gott hat unsere Sünden gegen ihn durch den Opfertod seines Sohnes am Kreuz ein für allemal getilgt, damit wir uns auch ihm, dem vollkommenen Gott, gegenüber nicht mehr als Mängelwesen sehen. So wichtig ist ihm, dass wir diese schädliche Haltung aufgeben! Es ist das Gefühl, (ihm) nicht genug zu sein – sei es in der Weise, ihm nicht genug zu dienen oder in der Weise, von ihm nicht genug beachtet zu werden – das uns von ihm trennt. Allein das Gefühl nicht genug zu haben/zu bekommen oder nicht genug zu sein verführt uns zur Sünde gegen Gott, gegen unsere Mitmenschen – und gegen uns selbst.

Weil ich mir diese Weisheit Gottes und die Liebe, die in dieser geschenkten Erkenntnis steckt, immer wieder bewusst machen muss  (damit sie nicht „von Dornen überwuchert“ wird), will ich den Sabbat heiligen. Das heißt eben nicht mehr: Ich klappe an einem Tag in der Woche die Bürgersteige hoch und verweigere jede Aktivität, sondern ich sorge mindestens einmal pro Woche für eine feste Zeit, in der ich mich ausschließlich mit dieser Weisheit und Liebe beschäftige. Und wenn ich sie dann erfahren habe, werde ich zu meiner Verwunderung feststellen, dass mir ein Tag in der Woche nicht genügt und ich nach weiteren gemeinsamen Zeiten mit meinem Gott suchen werde. Jede weitere Minute trauter Gemeinsamkeit, die ich organisieren kann, wird mir unendlich wertvoll erscheinen. Als himmlischen Snack für zwischendurch hat Gott ja das Gebet erfunden.

In dieser gemeinsamen Zeit werde ich Gott immer besser kennenlernen und immer wieder feststellen, wie Vorstellungen, die ich mir von ihm und über ihn gemacht habe in sich zusammenfallen. Darum werde ich mir irgendwann keine Bilder mehr von ihm machen (sei es aus Stein oder im Geist), die ich anbete, sondern den von ihm gewünschten und angebotenen direkten Kontakt suchen. Mein Gott ist da, er begleitet mich durch mein ganzes Leben – ich brauche kein Bildnis von ihm und ich will auch keins, denn es würde ihm nicht gerecht.

Und wenn ich es bis dahin geschafft habe, dann bin ich durch diesen Gott ein freier, selbstverantwortlicher Mensch geworden. Dann kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, anderen Göttern als ihm zu dienen. Dann will ich keine anderen Götter mehr neben meinem Gott haben. Sie stünden mir im Weg!

Die Furcht Gottes wandelt sich nun von Angst in Achtung, die Beschneidung des Fleisches in eine Beschneidung des Herzens. Ganz nüchtern betrachtet, stelle ich für mich fest, dass alle unsere Mühen, alle unsere selbst geschaffenen Regeln immer dann scheitern, wenn irgend eines von diesen „Ich will“-s da oben zu kurz kommt. Ich wäre doch also blöd, wenn ich nicht mit ganzem Herzen und aller Kraft danach streben würde, nach genau diesem ewigen Gesetz zu leben! Und wenn ich das erkannt habe, dann bin ich wahrhaftig umgekehrt, aus dem strafenden Gott wird wieder der verheißene Segensbringer und aus dem Kind Gottes wird der Erbe.

Ja, das Gesetz Gottes bringt uns ins nächste Leben mit ihm, denn seine Erfüllung durch Christus ist die Basis für unsere Erlösung, aber – richtig verstanden – führt es uns bereits sicher durch dieses.

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