Markus 2 (5. – 8. Januar)

„Aufbruch ins neue Zeitalter“ – unter diesem Motto könnte man Kapitel 2 des Markusevangeliums zusammenfassen.

Jesus ist da. Der Messias, das Licht, Gott selbst ist in der Welt, in seinem Eigentum. Er ist hier um zu korrigieren, wozu Menschen nicht in der Lage sind. Aber ganz hilflos sind sie dann doch nicht, wie die Gruppe Menschen zeigt, die ihren gelähmten Freund zum Herrn tragen und sogar das Dach abdecken, um ihn in dessen Nähe zu bringen. Sie sind das Bild, wie Kirche nach außen wirken soll. Wir, die Nachfolger, die Jünger Christi, sollen mit offenen Augen in dieser Welt sein. Wir sollen präsent sein, um so Menschen zu helfen zu Gott zu kommen, die dies aus eigener Kraft nicht schaffen. Die Lähmung des Mannes zeigt hier nichts anderes als dass Menschen ohne Gott nicht aus eigener Kraft zu ihrem Herrn kommen können. Ja, wir lesen später: Niemand kommt zu mir, es sei denn der Vater zieht ihn. Das ist richtig, aber die Arme, die ihn ziehen sind wir, nachdem der Geist des Vaters ihn hat erkennen lassen, dass er sich – was den Glauben angeht – nicht aus eigener Kraft bewegen kann. Das heißt natürlich in diesem konkreten Fall auch, dass die Freunde des Gelähmten diesen nicht gegen seinen Willen dorthin gebracht haben, dass nicht sie es waren, die ihn so lange unter Druck setzten, bis er endlich rief: „Ja, ich will gerettet werden!“

Mission ist unsere Aufgabe, aber sie darf niemals mit  Manipulation, Angst oder gar Gewalt einhergehen. Ein großes Missverständnis bezüglich der Botschaft, dessen sich unsere Kirche über viele Jahrhunderte schuldig gemacht hat!

Im nächsten Schritt erklärt Jesus, was es überhaupt erst ermöglicht, dass wir „gehen“. Es ist die Vergebung der Sünden! Wir hatten es in Kapitel 1 bereits erkannt: Die Sünde – also im Grunde sein natürliches, irdisches Wesen – trennt den Menschen von Gott. Vergebung der Sünden heißt Versöhnung mit Gott. Wir gehen in Gott und mit Gott, weil wir durch die Versöhnung wieder eins mit ihm werden. Und es wird auch die Art der Rettung deutlich. Der Gelähmte rappelt sich nicht mühsam auf und kriecht und stolpert aus dem Raum, er steht auf, nimmt seine Trage und geht heim. Durch die Versöhnung mit Gott sind wir mit einem Schlag gerettet. Es gibt keinen Übergang, keine Übungsphase, wo wir irgendwas einüben oder beweisen müssten. Gott vergibt, Gott liebt bedingungslos ohne Zögern. Während die Anwesenden staunen, jubeln und Gott preisen ist dieser schon einen Schritt weiter. Er hat beschlossen, seine Kinder zu retten, zu sich zu holen, und das tut er jetzt. Er setzt sie in Bewegung.

Auch an wen die Botschaft primär gerichtet ist wird in diesem Kapitel deutlich. Gott kommt zu den Menschen, die seine Rettung brauchen. Das sind zwar ganz offensichtlich alle, doch werden ihn nur diejenigen aufnehmen, die bereits erkannt haben, dass sie dafür einen Retter brauchen. Zu diesem Zeitpunkt drückt Jesus diese Tatsache noch etwas diplomatischer aus; er wird noch deutlicher werden.

Es ist aber im Besuch und gemeinsamen Mahl mit Zöllnern und anderen Sündern auch eine Lehre für seine zukünftige Kirche enthalten: Der Alte Bund forderte von den Gläubigen: Trennt die Unreinen, die Sünder von eurer Gemeinschaft. Der Grund für diese Regelung ist einsehbar, denn der Alte Bund hatte den Zweck, die Menschen zum Glauben zu erziehen. Der Neue Bund setzt den Glauben voraus und hat deshalb einen neuen Zweck. Gott kommt, um seine Kinder zu retten. Darum ist die Aufgabe der Menschen des Neuen Bundes die Sünder aufzunehmen, zu umarmen. Das heißt nicht, sich mit der Sünde gemein zu machen. Wenn ein Arzt zu einem Verwundeten geht, heilt er die Wunden des Verletzten, er bringt sich nicht dieselben Wunden bei! Und mit Blick auf die Sündenfälle jüngerer und jüngster Zeit innerhalb der Kirche: Der Arzt wird sich auch nicht damit begnügen, Wunden zu verwalten und zu versuchen, sie unter einem Tuch von Scheinheiligkeit zu verbergen. Solch ein Verhalten ist „sich mit der Sünde gemein machen“!

Auch mit den Pharisäern und Schriftgelehrten, man könnte sagen mit den Vertretern des Alten Bundes gerät er erstmals aneinander. Nicht nur, dass sie es ablehnen, dass Jesus sich mit Zöllnern und Sündern abgibt, sie stellen auch ihre alten Sitten und Bräuche, hier exemplarisch das Fasten in direkten Vergleich zum Verhalten von Jesus und seinen Jüngern und stellen fest: Ihr seid anders, ihr gehört nicht zu uns!

Jesus gibt das offen zu. Ja, dass das Licht in die Welt kam ist ein Grund zum Feiern. Zum Trauern und Fasten werden die Menschen noch genügend Möglichkeiten erhalten. Er stellt damit natürlich nicht die Traditionen, die sich aus dem Gesetz ergeben hatten in Frage, sondern den Grund, aus dem sie durchgeführt werden. Fasten und anderen Glaubensrituale entspringen einer inneren Haltung. Nur wenn die innere Haltung stimmt, machen Glaubensrituale Sinn. Fasten, nur weil es auf dem Kalender steht, entspringt nicht dem Glauben, sondern einem fehlgeleiteten Leistungsdenken.

Und dasselbe gilt natürlich auch fürs Sabbat-Gebot. Wobei ich nicht davon ausgehe, dass die Vorkommnisse im Getreidefeld wirklich der Nahrungsaufnahme dienten. Jesus wusste, dass er beobachtet wird und entschied sich für eine gezielte Provokation – auf welche die Pharisäer auch prompt eingingen und ihn des Verstoßes gegen eben jenes Sabbat-Gebotes bezichtigten. Nun hatte er Gelegenheit, sie – am Beispiel König Davids – genau auf dieses Missverständnis hinzuweisen, dem sie seit Jahrhunderten unterlagen: Die Gesetze regeln das Leben der Menschen zu deren Nutzen, eben weil Gott weiß, was die Menschen brauchen. Die Gesetze sind für die Menschen da, nicht umgekehrt.

Mit dieser Provokation gab er den Führern der damaligen Kirche auch gleich zu verstehen: Gott ist mit eurem folkloristischen Mummenschanz nicht einverstanden und gedenkt, euch zu entlassen. Die Pharisäer hatten nach diesem Aufeinandertreffen garantiert begriffen, dass es eine Provokation war, die Botschaft, die dahinterstand, aber nicht.

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