1. Korinther 5 (10. August)

Paulus geht nun auf einzelne Missstände in der Gemeinde ein. Er ist mit dem Lebenswandel einzelner Gemeindemitglieder äußerst unzufrieden.

Zunächst beklagt er einen ihm zu Ohren gekommenen Fall von Unzucht. Ein junger Mann lebte mit der Frau seines Vaters zusammen. Offensichtlich hatte der Vater also eine jüngere Frau geheiratet, nachdem seine Gattin, also die Mutter der jungen Mannes, gestorben war oder er diese – wie damals oft üblich – per Scheidungspapiere mehr oder weniger einvernehmlich aus der Ehe entlassen hatte.

Paulus schimpft die selbsternannten Gemeindeoberen, dass es ihnen offensichtlich wichtiger sei, sich selbst als spirituelle Führer zu präsentieren als Verantwortung für die Gemeinde zu übernehmen, was in diesem Fall selbstverständlich ein äußerst undankbares Geschäft wäre.

Wir hatten es im letzten Kapitel bereits davon: Missstände müssen offen angesprochen werden. Dies betrifft Fehlleitungen der Führung, dies betrifft aber auch Verirrungen der Schäfchen. Paulus kündigt an, dass er die betreffenden Sünder höchstselbst aus der Gemeinde entfernen werde, sobald er wieder nach Korinth komme. Gelebte Sünde dürfe in einer Gemeinde nicht geduldet werden, da sie zum Vorbild und zur Verführung zur Sünde für andere würde.

Diese und ähnliche Geschichten dürften in der Vergangenheit Begründung für den Ausschluss Geschiedener und Wiederverheirateter von der Eucharistiefeier gewesen sein, daher ist es angeraten, diesen Fall etwas genauer zu betrachten.

Wir befinden uns im Zwiespalt zwischen „Sie werden ein Fleisch sein“ / „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden“ und „Wo die Liebe hinfällt…“

Leider sind aus dem Brief nicht die genauen Hintergründe dieser „Unzucht“ (an anderer Stelle als „Hurerei“ bezeichnet) bekannt, aber immerhin ist hier doch ein Sonderfall genannt: Der junge Mann lebt mit der Frau seines Vaters zusammen.

Frau des Vaters dürfte hier bedeuten, dass die zwischen dem Vater und Frau andauert, d.h., entweder duldet der aktuelle Ehemann diesen Ehebruch oder es handelt sich gar um eine „Ménage-à-trois“. Bei einer Beziehung, die das Bild der Beziehung Christi zu seiner Braut, der Kirche, sein soll, ist eine solche Form der Eheführung absolut undenkbar.

„ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott“ (Ex 20, 5)

Gewiss es gibt auch andere Moralvorstellungen auf dieser Welt und die haben sicher ihre Berechtigung, doch diese ist die uns durch Gott gegebene. Jesus macht die Schriftgelehrten darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit der Auflösung einer Ehe nur ein Nachgeben Gottes gegen die schwache Natur des Menschen gewesen sei. Wir leben in dieser Welt in Vorbereitung auf die Kommende, und so wie Gott bezüglich uns, seinen Kindern, keinen Plan B in der Hinterhand hält, sollen auch wir leben. Dass es dem Junggesellen Paulus hier offensichtlich leichter fällt den moralischen Zeigefinger zu heben als mutmaßlich gestandenen Ehemännern in der Gemeinde ist allerdings auch nachvollziehbar. Seine persönliche Meinung zum Konzept der Ehe an sich wird er später noch zum Besten geben.

Viele Stellen der Bibel bekräftigen allerdings das heutige Verständnis, dass Liebe von Gott geschenkt und daher niemals Sünde sein kann – allerdings ist eben Liebe von Begierde zu unterscheiden. Bei dem genannten Dreier haben wir es nicht mit der von Gott geschenkten Liebe, die treu wie er selbst ist, sondern mit überaus menschlichem Verlangen und Experimentierfreude zu tun. Sexspielchen zwischen mehreren, auch wechselnden Partnern, sogar den eigenen und auch fremden Kindern und Jugendlichen war elementarer Teil der so genannten feinen Gesellschaft in der griechisch-römischen Kultur. Die Ehe, meist durch die Eltern aus wirtschaftlichen Gründen arrangiert, war in diesem Kulturkreis ein weltliches Bündnis, deren Wert sich in Gold und gesellschaftlichem Ansehen ausdrückte.

Insofern ist natürlich nachvollziehbar, dass die Gemeindeoberen nichts Verwerfliches an diesem aus christlicher Sicht inakzeptablen Verhältnis sahen. Das entsprach ihrer Lebenswirklichkeit. Wenn sie selbst bisher treu waren, dann vielleicht nur aus Mangel an Gelegenheit?

Welt trifft auf Reich Gottes!

Und an dieser Stelle hakt Paulus ein. Als wir Christen wurden, haben wir den alten Menschen mit den alten Moralvorstellungen ausgezogen und den neuen Menschen, mit den Werten, die Gott uns gab angezogen – so würde das Paulus ausdrücken, wenn er sich nicht gerade in Rage geschrieben hätte. Wenn wir davon abweichen, geben wir Gott auf, geben wir auf, was Gott uns gibt: Seine Liebe ist eindeutig, treu und verlässlich. Daher ist die von Gott geschenkte Liebe zwischen den Menschen ebenfalls eindeutig, treu und verlässlich. Alles andere ist fleischliches Begehren.

Die Liebe zwischen Menschen kann enden, dies hat Gott in seinem Plan für die Menschen berücksichtigt, Jesus sprach davon. Er verlangt aber von uns klare Entscheidungen und Verhältnisse. Er verlangt von uns vor ihm und vor dem Partner das Eingeständnis, gescheitert zu sein und die Bitte an ihn, Gott, um den Segen für einen sich anbahnenden neuen Weg. Natürlich erklärt uns Jesus auch, dass ein Geschiedener Ehebruch begeht, wenn er wieder heiratet. Gerade deshalb ist es ja unverzichtbar, sich der Tragweite seines Handelns bewusst zu sein oder bewusst zu werden und gerade in dieser Situation die Nähe Gottes zu suchen.  Gott verlangt von uns, in jedem unserer Schritte absolut klar zu sein!

Dies war hier ganz offensichtlich nicht geschehen und das macht aus einem Scheitern eine Sünde im Geist – ein fortwährendes Sündigen. Diese Form der Sünde kann in einer Gemeinde nicht geduldet werden, denn sie zerstört durch ihr schlechtes Beispiel die uns von Gott gegebenen Werte. Sie kettet uns aufs Neue an weltliche Maßstäbe und Begierden und zerstört damit die uns geschenkte Freiheit.

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