Levitikus 17 – 22 (10. – 15. Mai)

„Der HERR sprach zu Mose: Rede zu den Israeliten und sag zu ihnen: Ich bin der HERR, euer Gott. Ihr sollt nicht tun, was man in Ägypten tut, wo ihr gewohnt habt; ihr sollt nicht tun, was man in Kanaan tut, wohin ich euch führe. Ihre Satzungen sollt ihr nicht befolgen.“ (Lev 18, 1-3)

Es geht um Opferbestimmungen, Gesetzesanwendungen im Alltag, die besondere Vorbildfunktion der Priester und den Zustand der Opfertiere.

Die Israeliten kommen aus Ägypten und sind über Generationen mit dort üblichen religiösen Kulthandlungen aufgewachsen. Gott befreit sein Volk nicht nur aus der Sklaverei, er überschreibt gewissermaßen diese mitgebrachten Prägungen mit seinen eigenen Anweisungen. Der Zweck ist hier, wie schon erwähnt, einen klaren Schnitt zu machen. Hier beginnt etwas Neues! Die aus Ägypten geflohenen Menschen sind wahrscheinlich ein recht bunt zusammen gewürfelter Haufen, einst von den Ägyptern grob unter „Hebräer“ zusammengefasst. Sie vereint ein bisher recht divuser Glaube an einen einzigen Gott, überliefert von den Ahnen seit einem gewissen Abraham, der vielleicht zu diesem Zeitpunkt nicht einmal allen ein Begriff war. Die eindeutige Trennung in die zwölf Stämme, wird vielleicht zu Beginn noch gar nicht so eindeutig gewesen sein. Man lernte sich auf dem gemeinsamen Weg kennen und erkannte allmählich die Verwandtschaft.

Ägypten selbst war als damaliges Großreich aber sicherlich auch äußerst heterogen. Neben der ägyptischen Leitkultur tummelten sich viele anderen Kulte und Kulturen nebeneinander.

Und aus diesem großen Gemisch verschiedener Wurzeln galt es nun ein einziges Volk unter einem einzigen – nun klar definierten – Gott erst zu bilden, für ein „Vereinigen“ war es sicher noch zu früh.

Dies kann nur gelingen, indem alle mitgebrachten Einflüsse, konsequent ausgemerzt werden. Und genauso sind diese Gesetze auch zu verstehen. Alle Bereiche des Lebens und des Glaubens werden scharf von dem Alten abgetrennt. Darum stoßen wir in vielen Sätzen immer wieder auf die Formulierung „soll ausgerottet werden“. Jedes Vermischen würde das Projekt zum Scheitern verurteilen, denn die alten Triebe sind stark, das weiß jeder, der schon mal versucht hat, sich eine üble Sache, z.B. das Rauchen, abzugewöhnen

Das Blut hatte dabei schon vorher einen neue Bedeutung bekommen; es ist nun als Träger des Lebens voll und ganz Gott geweiht und darf daher auch nicht mehr auf „heidnische“ Weise geopfert werden. Blut behält oder erhält im Opferritus aber die Funktion der Sühne und des Friedens (mit Gott) und behält diese Funktion bis zum Opfertod Christi. Andere Wertmaßstäbe, insbesondere aus der moralischen Ecke, werden als Sünde gebranntmarkt. Hier geht es nicht darum, Menschen und ihre Neigungen zu verurteilen, es geht darum, die damals in allen Bereichen des Lebens vorhandenen kultischen Verbindungen dieser Verhaltensweisen vom Volk abzutrennen, das Volk von ihnen zu reinigen. Das ist hier mit Reinheit und Heiligkeit gemeint.

Natürlich gelten diese Regeln auch und sogar in besonderer Strenge für die Priester. Die Priester sind die Mittler zwischen Gott und den Menschen. Sie können diese Funktion nur überzeugend ausüben, wenn ihre Leben als vorbildhaft gelten. Dass Menschen, Normalsterblicher oder Priester, diese umfassende Vorbildfunktion vermutlich niemals erfüllen können, sind sicherlich ein weiterer Grund, warum es seit Christus für Christen nur noch einen anerkannten Priester, also Mittler gibt und das ist Christus selbst.

Die Israeliten sollen sich auch sozial verhalten, das heißt, die Armen in ihrem Land im Blick behalten. In einer Zeit ohne soziale Absicherung dürfen sie keine Nachlese auf ihren Äckern veranstalten, d.h., sie müssen einen gewissen – zugegebenermaßen geringen – Anteil stehen und liegen lassen, damit ihn Arme auflesen können. Von Gott angeordnete Verschwendung von hart erarbeiteten Ressourcen für jene, die nicht produktiv sind im und für das Land. Dies von der vielleicht kärglichen Ernte für andere übrig zu lassen fiel sicherlich schwer und war für die Eigentümer schwieriger zu verkraften, als der ein oder andere Prozentpunkt des heute zu versteuernden Überflusses. Das sollte sich jeder selbsternannte Christ hinter die Ohren schreiben, der heute über die sozial Schwachen herzieht, als seien sie das größte Übel des Landes!

Dass Menschen mit einem Gebrechen im Grunde von der Gelaubensgemeinschaft ausgeschlossen waren (Kapitel 21), kann ich dagegen nur schwer begreifen und schon gar nicht als richtig empfinden. Was immer sich Gott damals dabei gedacht haben könnte (es ist nicht auszuschließen, dass auch ein großer Prophet wie Mose mal eine Eingabe von seinem Gott eigenwillig interpretiert hat), Jesus hat es offiziell wieder abgeschafft, denn er, der Hochheilige Gottes, hat Kranke und Aussätzige an sich herankommen lassen, sich von ihnen gar berühren lassen und sie geheilt. Sein Leitspruch ist:

„Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lk 19,10)

Nein, ich bin ganz sicher: Gott schaut nicht auf das Äußere, er hat es auch damals nicht getan. Eine wie auch immer von „Normalen“ als Mangel beurteilte Abweichung von der körperlichen und geistigen Norm, war für Gott zu keinem Zeitpunkt eine Strafe für Sünde und auch kein Zeichen der Sünde, das wollten die Menschen so sehen, um sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen.

Wenn es anders wäre, als ich hier behaupte, würde Gott nicht mit mir reden!

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