Die Erschaffung der Welt - 1. Mose 1,1 – 2,3 (21. + 22. Juli)

Kein Buch der Bibel wird wohl häufiger herangezogen, wenn es um den Versuch geht, die Existenz Gottes zu widerlegen, als das erste Buch Mose, die Geschichte der Menschen von der Erschaffung der Welt bis zum letzten Patriarchen Abraham, laut Bibel ein Zeitraum von etwa 3000 bis 4000 Jahren und damit im krassen Widerspruch zu allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die dem Universum ein Alter von etwa 15 Milliarden Jahren und der Erde immerhin ein Alter von 4,5 Milliarden Jahren zubilligt.

Gleich das erste Buch der Bibel ist aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht haltbar – und aus literaturwissenschaftlicher Sicht übrigens ein Versatzwerk aus verschiedensten Erzählungen und Legenden der alten Hochkulturen des vorderen Orients. Wie soll man ein Buch ernst nehmen, das einem gleich zu Beginn Märchen erzählt?

Wenn man mal die Kreationisten und deren Sympathisanten im Kreis der Gläubigen außen vorlässt, die nach wie vor darauf beharren, dass die Bibel wörtlich genommen werden muss, weil ja jedes Wort darin von Gott eingegeben wurde (2. Tim 3, 16), erkennen alle anderen gläubigen Christen heute die Erkenntnisse der Naturwissenschaften an und beharren trotzdem darauf, dass die Bibel die Wahrheit erzählt. Glauben Christen also auch an die teils belächelten, teils verfluchten „alternativen Fakten“?

Nichts wäre weiter von der Realität entfernt als dies! Christen erkennen die Realität an, sie erkennen auch an, dass sich Vorstellungen von Realität mit der Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnis ändern können. Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrwerk, sie ist ein Glaubensbuch!

Und so erklärt die Schöpfungsgeschichte im ersten Kapitel eben nicht die Erschaffung der Welt in einem naturwissenschaftlich exakten Rahmen, der von den Menschen jener Zeit ohnehin nicht verstanden worden wäre – wir verstehen den Anfang der Existenz von Allem ja immer noch nicht vollständig und lückenlos! Die Schöpfungsgeschichte baut ein für den Menschen verständliches Beziehungsgeflecht zwischen Schöpfer und Geschöpf. Dass hierfür in jener Zeit bekannte und verbreitete Bilder (Legenden) herangezogen und entsprechend angepasst werden, ist zu diesem Zweck nicht nur tolerierbar, sondern darüber hinaus äußerst nützlich!

Betrachten wir uns also Kapitel 1.

Wir erfahren, dass Gott Himmel und Erde erschafft und den Wassern, dem Land und der Luft aufträgt Leben hervorzubringen. Wir erfahren auch, dass vom ersten Moment an der Geist Gottes über allem schwebte. Schließlich entscheidet sich Gott Menschen nach seinem Bild zu schaffen, die über die Erde herrschen sollen. Jeder einzelne Schritt der Schöpfung geschieht durch eine eindeutige Willensäußerung Gottes; Gott sagt, dass es geschehen soll und es geschieht. Ausnahme ist hier lediglich der Mensch, der von Gott selbst von der Erde genommen und gemacht wird. Das sind die ersten sechs Tage, am siebten Tag ruht Gott, d.h., er betrachtet und bewertet sein Werk.

Nehmen wir zu dieser Geschichte noch den Anfang des Johannes-Evangeliums „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. (…) Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“, so erkennen wir, dass die Dreifaltigkeit Gottes bereits in der Schöpfung angelegt ist; da ist ein Schöpfer, sein Geist, der eigenständig über den Wassern schwebt und sein Wort, das von ihm ausgeht, die Dinge in Bewegung setzt und – viel später – als Mensch unter den Menschen lebt. Alle drei – Schöpfer, Geist und Wort – sind ein Gott, denn sowohl Geist als auch Wort sind Teil Gottes und gehen von ihm aus. Durch seinen Geist und durch sein Wort wirkt Gott in dieser Welt.

Gott macht den Menschen als Mann und Frau nach seinem Bild. Gleich im ersten Kapitel erfahren wir, der Mensch an sich ist nach dem Bild Gottes, es gibt vor Gott keine Rangfolge. Diese wurde zwar eifrig ins zweite Kapitel hineingelesen – zu allen Zeiten wurde die Bibel in patriarchischen Gesellschaften nach patriarchischen Gesichtspunkten interpretiert – dies ist aber bereits durch das erste Kapitel ausgeschlossen! Nein, Mann und Frau gemeinsam sind nach dem Bild Gottes geschaffen, Mann und Frau gemeinsam, repräsentieren den Willen Gottes in dieser Welt – zumindest nach dem Willen ihres Schöpfers. Und unter dieser vorangestellten Prämisse müssen die anderen Kapitel gelesen und interpretiert werden. Wer also glaubt, dass der Mensch von Gott gemacht wurde, der erkennt – bei allen biologischen Unterschieden – die geistliche Gleichstellung von Mann und Frau an.

Aber hatten wir nicht grade festgestellt, dass die in Kapitel 1 beschriebene Schöpfungsgeschichte naturwissenschaftlicher Humbug ist? Wie können wir dann weiterhin behaupten, dass Gott den Menschen gemacht habe?

Nochmal! Alles was seit dem Anfang geschah und bis heute geschieht, geschieht nur mit dem Willen Gottes. Ohne seinen Willen geschieht nichts! Lediglich die Vorstellung, dass er bei der Erschaffung eines Baumes oder eines Huhnes selbst Hand angelegt hätte, ist Humbug. Aber das steht ja auch gar nicht in Kapitel 1 drin! Da steht nur, dass es der Wille Gottes war, dass es geschieht. Was nicht haltbar ist, ist der Zeitraum von sieben Tagen; da kümmern wir uns später noch einmal drum.

Dann kommt der Punkt, dass Gott den Menschen macht und ihn dafür von der Erde nimmt. Später kommt noch das folgenschwere Zitat „Vom Staub kommst du und zum Staub kehrst du zurück“ (1.Mo 3, 19). Da aber erst in Kapitel 3, bei der Vertreibung aus dem Paradies, erwähnt, würde ich das nicht ursächlich der Schöpfung des Menschen zuordnen. Dies gilt für alles Lebende auf diesem Planeten: Alles Lebende wurde von der Erde hervorgebracht (1.Mo 1, 11-25). Es spricht daher (außer natürlich dieser 7-Tage-Frist) nichts gegen die Annahme einer Evolution im Verlauf derer Gott aus einem Lebewesen den Menschen formt, indem er ihm seinen Odem, also seinen Geist einhaucht. Es spricht daher nichts dagegen, dass „Menschen machen“ so zu verstehen, einem Lebewesen die Fähigkeit zu verleihen, Gott als Schöpfer zu erkennen.

Jesus wird später sagen: „Niemand kommt zum Vater, es sei denn, der Vater zieht ihn.“ (Joh 6, 44)

In der Schöpfung hat Gott entschieden, welches Lebewesen, das dieser Planet hervorbringen wird, er an sich zieht und bindet. Beim „Menschen machen“ handelt es sich also um eine geistliche Schöpfung, ein Lebewesen erhält die Fähigkeit, Gefäß für den Geist Gottes zu sein. Nur als dieses Gefäß herrschen sie durch den in ihnen wohnenden Geist über die Welt, als Lebewesen sind sie von dieser Welt hervorgebracht, wie alles Lebendige und darum kehrt dieses Gefäß am Ende des Lebens auch wieder – wie alles Lebendige – zur Erde zurück.

Bleiben noch die sieben Tage. Tatsächlich ist inzwischen naturwissenschaftlich nachgewiesen, dass die menschliche Leistungsfähigkeit nicht nur einem Tagesrhythmus, sondern auch einem Wochenrhythmus folgt. Es ist nachgewiesen, dass ein Mensch zum Erhalt seiner Leistungsfähigkeit nach etwa sechs Tagen einen Tag zur Ruhe und Besinnung braucht. Leider führte Zeitoptimierung in den letzten Jahrzehnten dazu, dass dieser Tag – oder auch, einschließlich Samstag, zwei Tage – optimal mit allerlei Freizeitaktivität vollgestopft wird. Eine Daueranspannung durch eine andere zu ersetzen ist ganz eindeutig nicht das, was Gott mit dem siebten Tag im Sinn hatte, wenn man den Beginn des zweiten Kapitels aufmerksam liest, und es ist auch nicht das, was Mediziner unter Ruhe und Besinnung verstehen würden.

Gott gibt uns diesen siebten Tag, damit wir die Gelegenheit nutzen, wieder zu uns selbst zu finden. Indem Gottes Schöpfung in einen Zeitrahmen von sieben Tagen eingepasst wird, sagt Gott zu dem Menschen (der noch nie etwas von Biorhythmus und Co. gehört hat) und der sich schuldig fühlt, wenn er untätig ist: „Siehe, ich habe es so gemacht. Es ist gut!“ Zu sich selbst, zu seinem inneren Ruhepunkt zu finden, heißt Gott finden. Gott hat es uns vorgemacht, bzw. in der Schöpfungsgeschichte beschrieben. Der Sonntag (natürlich könnte das auch ein anderer Tag in der Woche sein, es sollte eben nur regelmäßig derselbe Tag sein) ist primär nicht produktiv! Es wird nichts produziert, nichts gearbeitet, der Takt, der uns an jedem anderen Tag der Woche antreibt, hat an diesem Tag Pause und wird auch durch keinen anderen Takt ersetzt. Es dürfte den meisten anfangs wie Zeitverschwendung vorkommen, sich einfach mal einen Tag lang nichts vorzunehmen, an einem Tag nichts geplant zu haben, was bis abends abgehakt sein muss, aber genau das meint Gott mit dem siebten Tag: Gib dem Geist in dir Gelegenheit, mit dir zu reden. Dann werden sich mit der Zeit andere Dinge ergeben, die dir wirklich Ruhe und Besinnung bringen, die dich wieder zu dir selbst bringen.

Das wird die ersten Male schwierig, vielleicht schier unerträglich sein – aber es wird mit der Zeit besser. Lass dir (die) Zeit!

1. Mose 1,1 – 2,3 >>