Jeremia 2 – 6 (28. Mai – 1. Juni)

Gott rechnet mit den Israeliten ab. Er zählt alle ihre Vergehen gegen ihn auf und stellt fest, sie sind ihm untreu geworden. Sie treiben es schlimmer als die Heidenvölker, die ihren – darüber hinaus noch falschen – Göttern treu geblieben seien. Doch die Israeliten hätten sich auf jeden Götzen eingelassen, den sie auf dieser Welt fanden. Sein Wort wollten sie nicht mehr hören, erst recht nicht befolgen. Seine Warnungen würden sie nicht mehr ernst nehmen, die schlimmen Folgen ihres Fehlverhaltens abstreiten. Gott unterscheidet zwischen Israel und Juda, also dem Nord- und dem Südreich in den Zeiten Jeremias. Aber, auch wenn er Juda stärker tadelt, so ist sein Urteil über beide Staaten im wahrsten Sinne des Wortes vernichtend. Gott hat sie in die Hände gottloser Völker – es wird immer wieder ein Volk aus dem Norden genannt – gegeben, das ihre Städte besetzen und ausplündern, das Volk in alle Welt zerstreuen wird.

Gleichzeitig verkündet Gott aber auch, dass er sich einen gläubigen Überrest aus dem Volk bewahren wird. Unter diesen wird er einen neuen Bund gründen, der nicht mehr auf dem Gesetz aufbaut und alle Völker der Welt in Jerusalem, dem Thron Gottes, vereint. (Jer 3, 14-18)

Starker Tobak!

Beim Lesen dieser Kapitel drängte sich mir immer wieder und immer stärker ein Bild auf, das sich wie ein roter Faden durch dieses Projekt hier zieht: Die Israeliten, also das Volk Gottes, stehen für alle Menschen, die sich zu Christus bekennen; das sind die Bürger der Reich Gottes. Israel steht damit für – das in dieser Welt bereits existierende, aber noch nicht vollendete – Reich Gottes. Als Bürger dieses Reiches haben wir heute dort bereits eine Wohnstatt, auch wenn wir körperlich hier in dieser Welt sind. Wir sind also quasi die irdische Vertretung des Reich Gottes. Es ist schwierig, etwas in Worten (dieser Welt) darzustellen, was zwar bereits in dieser Welt aber nicht von ihr ist. Darum werden Beziehungen zwischen uns im Hier und Jetzt und uns im Dort (das durch uns auch hier ist) immer hinken, immer irgendwie unzutreffend sein.

Gott unterscheidet zwischen Juda und Israel, obwohl er über beide das gleiche Urteil verhängt: Sie werden geschlagen werden, sie werden in ihrer aktuellen Form untergehen, ihre Bürger werden in alle Welt zerstreut werden.

Wieder ein Bild das sich mir während des Lesens aufdrängt: Juda steht für die ursprüngliche Kirche, das ist die römisch-katholische, mit ihrem Glaubenszentrum, der ewigen Stadt Rom. Israel, das sind alle anderen christlichen Kirchen und Vereinigungen auf dieser Welt, die sich – mal aus sehr triftigen, mal aus sehr profanen Gründen – von der Urkirche abspalteten oder von vorneherein abseits der Urkirche gründeten.

Unter dem Eindruck dieses Bildes ist die Prognose für das Volk der Kinder Gottes niederschmetternd aber leider zutreffend. Christen, die gesamte Christenheit, haben sich vom Wort und ihrem Ursprung, Gott, abgewandt, irren auf anderen, selbst gewählten Wegen durch die Weltgeschichte und ihr Leben. Wir haben alle irgendwo einen, oft sogar mehrere Götzen, denen wir Höhen errichten und huldigen. Als moderne Menschen würden wir sie nicht Götter nennen, aber wir verhalten uns ihnen gegenüber so, als wären es unsere Götter. Die Konsequenzen sind sicht- und spürbar! Der soziale Kitt dieser Welt bricht seit Beginn der Globalisierung (und die beginnt nach meiner Zählung spätestens mit dem kommerziellen Sklavenhandel vor etlichen hundert Jahren) auseinander und reißt soziale Gräben immer tiefer auch in die sogenannten wohlhabenden Staaten. Die zunehmende kommerzielle Ausbeutung des Planeten, schlägt immer tiefere Wunden in unser Ökosystem und nimmt zunehmend lebensbedrohliche Formen an. Die Frucht dieser beiden modernen Sünden – die Ausbeutung des Planeten und Missachtung der gottgegebenen Menschenwürde – ist wachsender Egoismus. Der Mensch, als biologisches Lebewesen auf Überleben und damit auf Egoismus programmiert, schafft sich Bedingungen in der Welt, die Egoismus fördern, statt im Sinne Gottes diese sündige Natur hinter sich zu lassen. Egoismus ist umgekehrt die Triebfeder für Ausbeutung und Missachtung der Menschenwürde. So schließt sich der Teufelskreis.

Es ist genau, wie Gott es uns über Jeremia ausrichten lässt: Seine Strafe ist nichts anderes als die Frucht unseres gottlosen Handelns. Wir haben uns unsere Strafe selbst gewählt und gemacht.

Und die Götter, die wir anbeten, dass sie uns retten mögen, können und werden das nicht tun, denn die Ursache eines Problems kann niemals deren Lösung sein!

Trost kann uns sein, dass Gott durch dieses Bild von Israel auch uns zusagt: Auch wenn alles zerbrechen wird, er verwirft uns nicht! Er wird sich einen gläubigen Überrest erhalten, der wachsen und gedeihen und schließlich das vollendete Reich Gottes, das nach der Offenbarung des Johannes vom Himmel herabkommt, also nicht durch Menschen errichtet werden wird, bevölkern werden. Die Treuen werden zwar mit den anderen durch die Zerstreuung – wie auch immer die aussehen mag – gehen, aber sie werden schließlich im Licht sein.

Bliebe noch dieses mysteriöse „Volk des Nordens“. Bei den Israeliten waren das die Assyrer. Da das Wort Gottes inzwischen auf dem ganzen Planeten verkündet ist und es praktisch überall gläubige Christen gibt (und sei es nur eine unscheinbare Minderheit), ist es schwierig einen „nicht-christlichen Norden“ auszumachen. Erkennbarer ist da die alte Sprache, die keiner mehr versteht.

Diese Sprache ist die Ehrlichkeit, die Aufrichtigkeit; es ist auch die Sprache der Natur.

Wir können die Augen verschließen vor unserer eigenen Ungerechtigkeit, vor der Not, die wir bei anderen anrichten. Wir können uns Kriege als unabwendbar einreden. Wir können alle Schuld, die wir auf uns laden, schönreden – aber die Natur ist immer ehrlich zu uns.

Wo wir den Erdboden (oder auch den Untergrund) schonungslos ausbeuten, wird Land unbewohnbar. Wenn Land durch Ausbeutung unbewohnbar geworden ist, können wir das nicht schönreden. Da kann einfach keiner mehr leben!

Wenn wir die Meere als Müllhalde missbrauchen, schlagen auch sie zurück. Je mehr sie als Lebensraum für Tiere und Pflanzen unter Druck geraten, desto weniger  können sie uns als Nahrungsquelle oder – das beginnen wir gerade erst zu verstehen – als Treibhausgas-Speicher dienen. Im Gegenteil: Sie geben das gespeicherte Kohlendioxid immer schneller in die Atmosphäre ab.

Der durch unsere Ausbeutung des Planeten verstärkte Klimawandel sorgt für häufigere und viel stärker ausgeprägte Extremwetterlagen. Stürme entwurzeln ganze Wälder, tragen fruchtbaren Boden ab und zerstören, ebenso wie extreme Regen und dadurch ausgelöste Hochwasser und Erdrutsche Häuser, Straßen und übrige Infrastruktur. Ebenso fordern sie, genau wie Hitzewellen, Menschenleben. Laut Robert-Koch-Institut starben im Jahr 2023 über 3000 Menschen in Deutschland durch Hitze.

Die Sprache der Natur ist aufrichtig und schonungslos ehrlich. Aber wir verstehen diese uralte Sprache nicht … oder stellen uns ihr gegenüber zumindest taub.

Aber wer bereit ist zu verstehen, der erkennt: An den bitteren Früchten der von uns angehäuften Schuld werden auch noch unsere Kinder zu essen haben. Die Behebung der Schäden, sowohl im ökologischen wie im sozialen Bereich, werden mit jeder Generation, die nicht umkehrt, größer und dank der von uns immer noch treu angebeteten, nichtigen Götter auch teurer werden. Die Früchte werden für jede kommende Generation immer bitterer werden.

Ebenso unverständlich ist uns offensichtlich eine andere, ganz alte Sprache geworden, die nonverbale Kommunikation. Wenn die Umstände unerträglich oder sogar existenzbedrohend werden, fliehen die Menschen davor. Sie fliehen in andere Länder, in Drogen, in körperliche und seelische Erkrankungen oder in Hass und Gewalt. Flucht ist eine Form der nonverbalen Kommunikation. Wir beobachten diese Entwicklung aufmerksam und mit Sorge, aber reagieren wir gemäß unseres Gottes darauf? Nein, ganz im Gegenteil! Wir schützen unsere Götzen! Wir schützen unseren Wohlstand, wir schützen unsere Güter, wir hassen jene, die unsere Hilfe brauchen (weil sie nicht produktiv sind und unsere sozialen Systeme belasten), wir wenden sogar Gewalt gegen sie an, wir werden selbst zu Hassern und Gewalttätern. Dies verursacht mehr Elend, mehr Flucht und damit mehr Hass und mehr Gewalt – ein Teufelskreis, aus dem sich nur durch radikale Umkehr zu Wort und Geist des Evangeliums ausbrechen ließe.

Nur völlige Umkehr zu unserem Gott, zum einzigen und wahren Gott, könnte uns vor den sozialen und ökologischen, bitteren Früchten unserer angehäuften Schuld retten.

Aber schaffen wir das?

Die Israeliten haben es damals offensichtlich nicht geschafft – und bei denen ging es nur um ein paar Stelen aus Holz und Stein. Wir haben es geschafft, uns von unseren Götzen umfassend abhängig zu machen und wir halten uns dabei für klüger als die alten Israeliten, da wir uns ja inzwischen so viel mehr Wissen erarbeitet haben.

Ist also alles vergebens?

Das Wort und die Zusage Gottes gelten!

Die Standhaften, jene die treu zu Wort und Auftrag stehen, die zwei Meilen gehen, wo von ihnen eine verlangt wurde, die jenen vergeben, die ihnen gegenüber schuldig wurden, die lieben, wo sie Hass begegnen, die heilen, wo Verletzung stattfindet, die versöhnen, wo gespalten wird, die Gott treu sind, wo Treulosigkeit Richtung und Weg bestimmwn – die werden das Land erben, die werden das Reich Gottes sehen.

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