„Gottes Sehnsucht ist der lebendige Mensch“ (Augustinus)

„Gottes Sehnsucht ist der lebendige Mensch“ (Augustinus)

Der Jakobsweg 2023 – ein persönlicher Rückblick

Wo fange ich an? Wieder einmal wurden Dinge in meinem Leben verbunden, die auf den ersten Blick gar nicht verbunden schienen. Wieder hat Gott einzelne bunte Steinchen in meinem Leben in sein großes Mosaik eingefügt, aus Ereignissen Erlebnisse und Erkenntnisse gemacht. Das ist es, was mich an diesem Gott so fasziniert: Er hat Sinn für und Liebe zum Detail. Je länger ich mit ihm gehe – er geht ja schon mein ganzes Leben mit mir – je länger ich auch mit ihm gehe, desto deutlicher wird das.

Der von Ute und Arnd Schillinger organisierte Jakobsweg 2023 führte uns Wanderer – in diesem Kontext nennt man das wohl Pilger – durch den Pfälzer Wald, rund um das Kloster in Neustadt an der Weinstraße. Die beiden hatten mich auch schon in den vergangenen Jahren öfters gefragt, ob ich nicht einmal mitgehen möchte, doch aufgrund eines von mir als höchst unzuverlässig empfundenen Rückens habe ich das bisher nicht gewagt. Dinge ändern sich. Der Rücken ist zwar nicht zuverlässiger geworden, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen machten mich aber zuversichtlicher. Auch das halb-volle Glas kam während dieses Jakobsweges immer wieder zur Sprache.

Thema war aber, wie die Überschrift schon sagt, „Gottes Sehnsucht ist der lebendige Mensch“ und die verschiedenen Fassetten dieses „Lebendig-sein mit Gott“ erlebte ich – erlebten wir – auf diesem Weg. Wenig verwunderlich läuteten bei mir bei folgendem Satz sämtliche Kirchenglocken:

„Sehnsucht ist das Werben Gottes um die Menschen, nicht unter dem Niveau zu leben, auf das hin sie entworfen sind.“ (Dieter Emeis)

Wow!

Ohne ins Detail zu gehen, war dies Thema eines Gespräches mit einer Freundin und vielleicht eines der größeren Herausforderungen in meinem Leben. Gott nutzt ALLE Kanäle und Gelegenheiten, um mit seinen Leuten zu reden, um ihnen zuzureden, um sie in Bewegung zu halten oder in Bewegung zu bringen. Mein Gott ist ein Gott in der Bewegung. Ich erfahre ihn am deutlichsten, wenn ich mich bewege, das kann körperlich (z.B. pilgern auf dem Jakobsweg) oder geistig (sich auf Worte, Bilder und Gedanken einlassen, die aus verschiedenen Quellen auf mich einströmen) sein. Aber es ist auch ein Gott des Erkennens. Dann wenn ich voller Staunen stehen bleibe, weil sich von Geisterhand – der Geist ist uns bekannt – vor meinen Augen Dinge verbinden, ich erkenne, dass sie in einem größeren Kontext stehen. Niemand sage mir, dass Gott sich aus dieser Welt heraushielte und nicht mehr in jedem Augenblick in sie hineinwirke!

Es wird schnell deutlich, „lebendig sein“ ist viel mehr als nur „am Leben sein“. Leben ist das Geschenk, das wir durch Zeugung und Geburt erhalten; wir müssen nichts selber dafür tun. Lebendigkeit erhalten wir durch (himmlische) Geschenke, die wir annehmen, die wir öffnen müssen. Es sind die Gaben, die wir auf unseren Lebensweg mitbekommen, die wir nutzen und ausbauen und an denen wir uns erfreuen dürfen. Dazu müssen wir sie uns aber immer wieder bewusst machen, müssen sie mit anderen teilen (manche werden erst durch das Teilen erkennbar), die andere Gaben erhalten haben, müssen uns gegenseitig ermutigen, auch halten, wenn es mal schwierig wird. Dies erfahren wir in den einzelnen Stationen des Jakobswegs aber auch auf dem Weg selbst, der manchmal schmal, recht steil oder steinig ist und der mal rauf und mal runter führt. Leben, das ist die bloße Existenz, das Material, auf dem wir in dieser Welt stehen; Lebendigkeit, das sind die Farben und die Lichter entlang des Weges, die wahrzunehmen wir erst auf dem Weg lernen.

Natürlich kam auch das gemütliche Beisammensein nicht zu kurz. Höhepunkte in dieser Abteilung waren ein Picknick, zu dem alle beitrugen, der Grillabend im Kloster und das Einkehren in einem Weingut mit exzellenter Küche. Mancher mag hierin vor allem den Erholungsfaktor schätzen (der bei gefühlt 80 % Luftfeuchtigkeit am ersten Tag auch notwendig war), mich erinnert dieses um einen Tisch zusammensitzen, dabei essen und trinken, den anderen zuzuhören, selber reden, vielleicht etwas gemeinsam singen an das versprochene Hochzeitsmahl im nächsten Reich am Ende aller Pilgerschaften. Die lebendige Gemeinschaft am Ende des Weges, das ist es, was das Evangelium uns verspricht.

Und eine lebendige Gemeinschaft braucht lebendige Menschen. Der Jakobsweg 2023 machte die Sehnsucht Gottes begreifbar und persönlich erfahrbar.

Lasst uns Gehende bleiben.
Wir sind nicht ganz zu Hause auf dieser Welt.
Wenn wir pilgern, sind wir nicht nur wir. Er geht mit. Er ist dabei.
Wir sind unterwegs mit dir Gott, durch Dunkel und Nässe, durch Nebel und oft ohne Orientierung, ohne Weg, und nicht selten ohne Ziel.
Wir sind Wanderer. Wir sind Gehende.
Wir sind noch nicht ganz angekommen. Unser Lebensweg geht weiter.
So wandere du, Gott, mit uns und lehre uns das Gehen und Suchen.
Amen.

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