1. Johannes 3 (25. - 27. Mai)

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Kinder Gottes heißen sollen! Darum erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat. Geliebte, wir sind jetzt Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen aber, dass wir ihm gleichgestaltet sein werden, wenn er offenbar werden wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1. Joh 3, 1-2)

Seht, welch eine Liebe! So beginnt das dritte Kapitel im ersten Johannesbrief und das ist es, wovon die Evangelien und die Himmel uns künden! Nicht mehr als Geschöpf, nicht zur Freude eines fernen, unbekannten Schöpfers existieren wir. Wir sind die geliebten Kinder unseres Gottes, wir sind geliebt von ihm bis in den Tod und darüber hinaus. Das ist es was uns mit Tod und Auferstehung unseres Herrn offenbart wurde.

Da gibt’s natürlich noch ein gar nicht mal so kleines Geheimnis in dieser Geschichte, das liegt verborgen in den Worten „über den Tod hinaus“. Wir wissen jetzt, seine Liebe überwindet die Welt und den Tod, der in der Welt herrscht. Wir können aber jetzt noch nicht begreifen, was es heißen wird, unserem Herrn gleichgestaltet zu sein. Dass da etwas grundlegend anders sein wird, können wir höchstens in der durch alle Evangelien hindurch gleich beschriebenen Begebenheit erahnen, dass die Jünger den Auferstandenen nicht wiedererkannten, bis er sie ansprach, ja selbst Maria, jene Frau, die Jesus so nahestand, dass er ihr noch an seinem Grab erschien, erkannte ihn nicht, bis er sie bei ihrem Namen rief: „Maria!“ (Joh 20,16)

Auch uns ruft Christus beim Namen, dass wir ihn erkennen sollen, und die Kinder Gottes werden ihn daran erkennen, dass er sie beim Namen ruft.

„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ (Joh 10, 27-28)

So ist denn das Einzige, was uns noch irgendwie von unserem Gott trennen kann die Sünde, nicht weil die Sünde uns für ihn verdirbt, dieses Problem hat er selbst gelöst. Sie trennt uns von ihm, weil wir uns schämen, wenn wir sie erkennen. Diese von jedem von uns selbst errichtete Mauer ist bereits in der Schöpfungsgeschichte genannt. Wir erinnern uns: Nachdem die Sünde geschehen war, kam Gott in den Garten Eden, es waren Adam und Eva die sich geschämt und vor ihm versteckt hatten!

Auch wenn dieser Teil der Bibel Literatur ist, die darin beschriebenen Wesenheiten und Schwachenheiten des Menschen und seine Reaktion auf die Reinheit Gottes ist wahr. Und so wird auch der, menschlich betrachtet, gewalttätige und ekelhafte Opfertod Jesu zum Liebesbeweis. Die Liebe Gottes ist so groß, so überwältigend, dass er uns sogar die Scham über unsere Schwachheiten und Verfehlungen nehmen will, damit uns nichts mehr von ihm trennen kann. Er selbst geht durch den Tod hindurch, er selbst nimmt die Strafe auf sich, die wir – nach unserer eigenen Erkenntnis – verdient hätten. Er zieht uns seine Reinheit an, die unsere Schande bedeckt und ruft uns zu: „Kommt zu mir! Tretet vor mich! Steht aufrecht, denn ich habe für alles bezahlt!“

Das Gegenteil von Liebe ist eben nicht Hass; das Gegenteil von Liebe ist Sünde. Hass ist eine Spielform der Sünde, ebenso wie Unaufrichtigkeit (Lüge) und Gier (die Sucht nach Weltlichem). Wer das begreift und wer die Liebe des Herrn in seinem Leben erkannt hat, der will nicht mehr sündigen, der will dieses reine, weiße Gewand, das er vom Herrn erhalten hat, nicht mit Sünde besudeln.

Aber wir sündigen doch immer wieder, oder? Ja, das stimmt und Gott weiß das. Es geht hier aber nicht um die einzelne Verfehlung, die vielen Einzelfälle im Leben eines jeden von uns. Es geht um die Haltung dazu. Ein Fernsehprediger, den ich von Zeit zu Zeit sehe, weicht dann immer auf die ursprüngliche Sprache der Evangelien und der Apostelbriefe aus, das Altgriechisch. Er macht dann auf eine bestimmte Zeitform aufmerksam, die es wohl nur in dieser Sprache so gibt, eine Zeitform, welche die fortwährende Gegenwart meint, also etwas das gegenwärtig passiert und dann immer und immer wieder, fortwährend. Aus den vielen Fußnoten in diesem Abschnitt entnehme ich, dass Johannes hier genau diese Zeitform verwendet hat. Wenn Johannes hier also schreibt, dass jemand sündigt, dann meint er, dass er das bedenkenlos und ohne Reue und fortwährend tut – gewissermaßen mit Lust und Überzeugung.

Wer die Liebe Gottes erkannt hat, wem sich Gott zu erkennen gab, dem bricht das Herz bei jedem seiner Einzelfälle und er hat dann das unstillbare Bedürfnis unter den Schirm seines Gottes zurückzukehren, jenes Gottes, der ihn so sehr liebt, dass er dafür gesorgt hat, dass dies auch möglich ist. Und für den Fall, dass dem Sünder dieser Weg zu schwer erscheint, gibt es die Beichte – auch die Rückkehr für die an sich selbst Verzweifelnden hat Gott bis ins Detail geregelt. Keine Seele soll verloren gehen.

Seht, welch eine Liebe!

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