Daniel 5 (18. + 19. November)

„Mene, mene, tekel upharsin!“ (Dan 5, 25)

Wir überspringen eine Generation. König Belsazar ist der Enkel Nebukadnezars. In einem Buch, das uns alle zu Söhnen und Töchtern Abrahams macht, sollte man Generationenbezeichnungen daher nicht auf die Goldwaage legen. Außerdem ist es in der orientalischen Kultur üblich alle Nachfahren aller Generationen Söhne und Töchter zu nennen, somit sind natürlich auch alle Vorfahren Mütter und Väter.

Dieser Belsazar also feiert ein großes Fest, und der Weingeist und die Unbekümmertheit der Jugend verleiten ihn dazu, die ehemals von seinem Großvater aus dem Jerusalemer Tempel geraubten, also allein Gott geweihten, Gegenstände wie Kelche und anderes Geschirr herbeischaffen zu lassen und sie durch den gewöhnlichen Gebrauch bei diesem Festgelage zu entweihen.

Wir dürfen annehmen, dass dieses anmaßende, gottlose Verhalten kein einmaliger Ausrutscher war, sondern in etwa dem Wesen des Königs entsprach, denn gleich danach erscheint ihm gegenüber eine geheimnisvolle Schrift an der Wand. Erschrocken lässt er seine Wahrsager herbeischaffen, doch die können die Schrift nicht entziffern. Da erinnert sich seine Mutter an den guten (inzwischen alten) Daniel, der seinem Großvater in dieser Hinsicht sehr wertvolle Dienste geleistet hat.

Die versprochene Belohnung von Reichtum und Macht lehnt Daniel abermals, wie schon bei Nebukadnezar, ab. Die Schrift an der Wand deutet er ihm aber. Obwohl er die Erfahrungen, die sein Großvater mit der Macht Gottes gemacht hatte kennt, hat er sich an den heiligen Gegenständen dieses Gottes vergangen. Wider besseren Wissens hat er sich über Gott erhoben und darum wird Gott ihn nun von seinem Thron stürzen und sein Reich den Medern und Persern geben.

Noch in derselben Nacht wird der König ermordet.

Wir erkennen in diesem Kapitel mehrere Lehren Gottes. Schon bei Nebukadnezar sahen wir, Gott gibt und nimmt den Menschen Macht (hier kann man alles Weltliche einsetzen), wie er es für richtig hält. Er allein hat die Macht dazu. Viel wichtiger erscheint mir aber – und auch das haben wir schon bei Nebukadnezar und dessen Hellsehern gesehen – Gott gibt auch nur den Menschen seiner Wahl Gnade und Erkenntnis über sich, seine Pläne und Beschlüsse, auch wenn er seinen Geist heute allen Gläubigen sendet, nicht nur ein paar auserwählten Propheten. Würdig für diese Gnade ist Daniel, weil er die Gabe eben nicht einsetzt, um sich selbst zu bereichern, im Gegenteil: Er sieht sich als Diener seines Gottes, das schließt für ihn jegliche Form der Verbrüderung mit der Welt und ihren Werten aus.

„Ihr könnt nicht zwei Herren dienen!“ (Mt 6, 24). Wenn du ein Diener Gottes, d.h., ein Verkünder seiner Wahrheit bist, darfst du diesen Vorteil nicht zur Erlangung weltlicher Macht nutzen. Es ist beschämend, wie diese bereits Daniel bekannte Regel (also 700 Jahre, ehe sie Jesus ausdrücklich wiederholte) der katholischen Kirche so lange, bis weit in die Neuzeit hinein verborgen bleiben konnte – so mancher scheint’s ja bis heute nicht erfasst zu haben.

Und diese Schrift an der Wand? Ja, diese Schrift steht auch bei uns – auch wenn sie bei uns multifunktional ist! Wir nennen sie Bibel. Sie verkündet den Kindern Gottes das Heil, sie verkündet allen anderen, die sich wider besseren Wissens über Gott erheben, statt zu ihm umzukehren das Gericht. Und auch in der Bibel erzählt Gott nur den von ihm Erwählten von seinen Plänen und Entschlüssen. Alle anderen finden nur ein weiteres, zugegeben sehr verbreitetes, religiöses Buch vor, voll von frommen Erzählungen und – in Spurenelementen – die Geschichte Israels und der Israeliten.

Alle aber, Gläubige wie Ungläubige, werden durch dieses Buch über die gemachten Erfahrungen ihrer Vorväter mit der Macht dieses Gottes informiert; die Juden waren über die Jahrhunderte sehr gewissenhaft in der Niederschrift derselben. Jeder kann also seine Schlüsse daraus ziehen und selbst entscheiden, ob es wirklich klug ist, sich über Gott erheben zu wollen.

„Prüfe mich, HERR, und erprobe mich; läutere meine Nieren und mein Herz!“ sagt David in Psalm 26. „Prüft mich und erprobt mich!“ ruft uns aber auch Gott aus jedem Buch der Bibel zu.

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