Die christliche Gemeinde

LaufstallDas ist ein Laufstall. Eltern schränken damit die Bewegungsfreiheit ihres Kleinkindes ein um es zu schützen. Auch ein Laufstall ist ein gutes Bild für Religion.

Schon Paulus sagte

„Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen.“ (1.Kor 3,2)

Das heißt, er verglich Korinther mit Kleinkindern, die eines besonderen Schutzes, also eines Laufstalls bedurften. Religion, feste Regeln und Abläufe, können ein Schutz sein, aber – und das zeigt dieses Bild deutlich – für diese Maßnahme muss das Ziel sein, sie überflüssig zu machen.

So ist die Religion in den Anfängen des Glaubenslebens wichtig, um zu lernen; sobald ihr, d.h. den Ritualen und Regeln selbst aber heilsbringende Eigenschaften zugeschrieben werden, wird dieser Laufstall zum Gefängnis, der die Gläubigen von anderen Gläubigen (in deren Laufställen) trennt.

So weit, so gut (oder nicht so gut).

An anderer Stelle auf diesem Blog habe ich von der Geschichte berichtet, wie Gott mich eingesammelt hat. Es war ein langer Weg, der seinen emotionalen Höhepunkt in aller Stille auf der heimischen Couch fand. Es folgte (und folgt immer noch) eine beständige, spürbare Nähe dieses Gottes aber auch mein Mühen um mehr davon.

Und schließlich schickte Gott mich in die Gemeinde hier am Ort. Natürlich ertönte keine Stimme aus dem Himmel, aber ich konnte seinen Rat spüren: „Du willst mehr von mir, dann geh in die Gemeinde.“ Es dauerte dann noch einmal ein halbes Jahr bis mir deutlich wurde, dass Gott mich aktiv in der Gemeinde sehen wollte, nicht als Konsument in den Gottesdiensten.

Was bezweckt Gott damit, wenn er die Gemeinde so wichtig macht?

Natürlich gibt es da den Satz Jesu: „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Es ist wichtig, das zu wissen, anderseits – wie gesagt – der Anstoß kam für mich im stillen Kämmerlein und auch dafür gibt es eine Bibelstelle im Neuen Testament.

An diesem Punkt kommt wieder der Laufstall ins Spiel!

Ich kann Gott daheim auf der Couch erfahren, aber diese Erfahrung ist begrenzt durch meine eigene Person, meine Eigenschaften, meine Erziehung, meine materiellen und geistigen Möglichkeiten. Wenn ich meinen Glauben „zu Hause auf der Couch“ lebe, so begrenze ich mich selbst auf den Laufstall meines Horizonts. Egal, was Gott mir sagt, ich werde immer nur den Teil wahrnehmen, der innerhalb meines Horizonts liegt. Sicher, im Laufe eines hoffentlich langen Lebens, wird sich auch mein Horizont erweitern. Er kann sich aber nur in die Richtung erweitern, die ich bewusst wähle und die Richtungen, die ich wähle, sind vom (weltlichen) Ursprung abhängig, von dem ich losgegangen bin. Bestimmte Aspekte werde ich nie betrachten, weil sie einfach zu weit weg von meiner ursprünglichen Welt liegen.

Sobald ich aber offenen Herzens (und offener Augen und Ohren) in die Gemeinde gehe, trete ich aus diesem persönlichen Laufstall heraus. Durch den Austausch mit den Gemeindemitgliedern erweitert sich mein Horizont zu den Grenzen der Horizonte der übrigen Mitglieder. So erlebe ich bei Betrachtungen verschiedener Bibelstellen immer wieder, wie Gedanken, die im Bibelkreis geteilt wurden in dem jeweiligen Zusammenhang wieder auftauchen und der Textstelle eine Bedeutung geben, die ich als Einzelner vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte. Trotz großer Gemeinsamkeiten im Denken und Fühlen sind es gerade die Nuancen und Unterschiede, die die Erfahrungen in der Gemeinde wertvoll machen. Und ich glaube, das ist die Erfahrung, die wir als Kinder Gottes machen sollen: Die Glaubenspraxis, das Erfahren der Freundschaft mit Gott ist so unterschiedlich, wie die Menschen selbst und die Schlussfolgerungen für das eigene Leben sind es daher auch. Diese Unterschiede werden aber als Reichtum erfahren, wenn sie vom selben Geist gelenkt sind. Das ist das Reich Gottes: Vielfältige Erfahrung zusammengeführt in einem Geist.

Und ja, es ist eine katholische Gemeinde, was heute für viele ein Problem darstellen wird. Auch mich schmerzt es, zu sehen, wie meine Kirche in Ritualen und Gesetzen erstarrt. Aber andererseits wird es im Reich Gottes keine katholische Kirche geben, denn du brauchst keine Glaubenspraxis mehr, wenn du deinem Gott gegenüberstehst und Gewissheit hast. Die christliche Gemeinde mit Christus im Zentrum ist aber das Reich Gottes. Dort gibt es keine Religion, keine Konfession, dort gibt es nur noch Vielfalt, zusammengeführt vom selben Geist. Darum sehe ich die Menschen in meiner Gemeinde, die mit mir auf dem Weg sind. Die sind wichtig, die übergeordnete Kirchenorganisation ist wichtig, soweit sie in der Lage und willens ist, ihre Aufgabe zu erfüllen, d.h., zu organisieren und die Vielfalt zusammenzuführen. Wo sie das nicht kann oder auch nicht möchte, werden sich die Gemeinden selbst organisieren. Der Weg erfordert Bewegung, Stillstand ist nicht christlich.

Vielfalt, zusammengeführt vom selben Geist scheint etwas zu sein, was hier in der Welt immer nur sehr begrenzt möglich ist, weil wir immer wieder zurückfallen in alte Verhaltensweisen, in der eine Gruppe weitgehend uniform sein muss, weil sie sonst auseinanderfällt und sich die verschiedenen Parteien bekämpfen. Was den Menschen also unmöglich ist, ist bei Gott möglich. Und die christliche Gemeinde ist der Ausgangspunkt dieser Entwicklung.